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Die mechanische Armbanduhr - Werkehersteller und Funktion eines Handaufzugswerks

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Rolex 9001, Automatik
Damenuhr von Rolex aus dem Jahr 1905

Damenuhr von Rolex aus dem Jahr 1905

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts steckte die Armbanduhr noch in den Kinderschuhen. Vor allem die Uhrmacher wetterten gegen den neuen Uhrentyp. Aber auch der Fachhandel zeigte sich nicht unbedingt begeistert. 1915 bekannte ein betagter und erfahrener Verkäufer, dass die Armbanduhr trotz aller zugeschriebenen Mängel allgemein verlangt werde und dass man den Geschmack des Publikums zu respektieren habe. Dennoch betrachtete er die Vorliebe für die Armbanduhr als eine Verirrung des weiblichen Geschmacks, denn das Handgelenk sei sicherlich der unpassendste Ort zur Befestigung einer Uhr. Des Weiteren beklagte er sich über den mangelhaften Gang dieser Zeitmesser. Doch, so stellte er weiter fest, sei dieses Übel für die auf diesem Gebiet dominierende Damenwelt nicht sehr groß, denn diese müsse die Uhrzeit ohnehin nicht sekundengenau kennen.

Für die Herren kämen hingegen nur gut ausgeführte Uhrwerke mit Ankerhemmung in Frage, welche die Zeit im Allgemeinen gut bewahrten. Doch hätten letztere bedauerlicherweise keine allzu große Verbreitung gefunden, da die Fabrikanten wegen des größeren Profits mehr Wert auf die Dekoration und wertvolle Ausführung der Gehäuse legen würden.

Seit dieser Zeit hat sich viel getan

Die Armbanduhr hat sich zu einem nicht mehr wegzudenkenden Kulturobjekt entwickelt. Und die seit etwa zehn Jahren währende Renaissance der mechanischen Zeitmessung zeigt, dass traditionelle Werte bei den Uhrenliebhabern trotz elektronischer Präzision hoch im Kurs stehen.

An der Funktionsweise der tickenden Uhrwerke hat sich seit der Erfindung der mechanischen Räderuhr um das Jahr 1300 abgesehen von technischen Verbesserungen und einer Miniaturisierung – im Wesentlichen nichts geändert.

Deshalb kann man die Behauptung aufstellen, dass es wohl keine Maschine gibt, als solche können mechanische Uhrwerke bezeichnet werden, welche auf einen derart langen Bewährungszeitraum und Optimierungsprozess zurückblicken kann.

Das eigentliche Uhrwerk setzt sich zusammen aus dem Rohwerk (französisch: Ebauche), der Hemmung (französisch: Echappement), dem Unruhreif mit Spiralfeder, der Zugfeder, dem Zifferblatt und den Zeigern zusammen.

Das Rohwerk, vergleichbar mit dem Motor eines Autos ohne Vergaser, Zündung und Verteiler, ist ein komplettes Uhrwerk ohne Hemmung, Unruhreif, Spiralfeder, Zugfeder, Zifferblatt und Zeiger. Erhältlich ist es ohne oder mit eingepressten Lagersteinen. Es setzt sich zusammen aus mindestens sechzig verschiedenen Teilen.

Im Jahre 1960 konnte allein die schweizerische Rohwerke Holding Ebauches SA (AS, ETA, FEF, Felsa, FHF, Landeron, Peseux, Valjoux, Venus u.v.a.) 220 unterschiedliche Kaliber mit manuellem oder automatischem Aufzug liefern.

Mittlerweile hat sich sowohl die Zahl der Rohwerkehersteller als auch die Zahl der lieferbaren mechanischen Kaliber drastisch verringert. Zu den wichtigsten Fabrikanten preiswert tickender und vor allem frei verkäuflicher Ebauches zählen heute in der Schweiz die Eta, Sellita und Soprod.

Automatikkaliber Eta 2892

Automatikkaliber Eta 2892

Automatikkaliber Sellita SW500

Automatikkaliber Sellita SW500

Automatikkaliber Soprod A10

Automatikkaliber Soprod A10

 

 

Sie liefern ihre Produkte an verschiedene Kunden im In- und Ausland. Allerdings hat die Eta, an deren Tropf schätzungsweise rund 80 Prozent der eidgenössischen Fabrikanten mehr oder minder stark hängen, ihre Lieferbereitschaft während der vergangenen Jahre stark eingeschränkt. (siehe auch Artikel von Rüdiger Bucher)

In der Vaucher Manufacture in Fleurier entstehen neben den Parmigiani-Werken auch Werke für Hermès, Corum oder Richard Mille

In der Vaucher Manufacture in Fleurier entstehen neben den Parmigiani-Werken auch Werke für Hermès, Corum oder Richard Mille

Exklusivere Kaliber zum Beispiel mit automatischem Aufzug liefern beispielsweise die Parmigiani-Tochter Vaucher oder die mittlerweile unters japanische Citizen-Dach geschlüpfte La Joux-Perret SA.

Die so genannten „Etablisseure” setzen Uhren aus zugekauften Teilen zusammen und bringen sie unter ihrem eigenen Namen in den Handel, was letztlich bedeutet, dass die gleichen Werke in Armbanduhren unterschiedlichster Uhrenmarken zu finden sind. Davon zu unterscheiden sind die wesentlich selteneren Manufakturen. Dieser imageträchtige Titel wird heute oftmals missbraucht. Manufaktur darf sich per Reglement eigentlich nur nennen, wer mindestens eine Uhr komplett herstellt, also auch das zugehörige Rohwerk.

Audemars Piguet Kaliber 2120

Audemars Piguet Kaliber 2120

Die Zahl der Manufakturen mit mehr oder weniger eigenen mechanischen Kalibern ist in den vergangenen Jahren – teilweise angespornt durch die Eta-Initiative, Rohwerkelieferungen an Hersteller außerhalb der Swatch Group schrittweise zurückzufahren – kontinuierlich gestiegen. Zum erlauchten Kreis zählen heute unter anderem Audemars Piguet, Breguet (ex Lémania-Rohwerkefabrik), Breitling, Cartier, Chopard, Corum, Eterna, Frédérique Constant, Girard Perregaux, Hublot, IWC, Jaeger LeCoultre, Maurice Lacroix, Montblanc, Omega, Panerai, Parmigiani, Patek Philippe, Piaget, Roger Dubuis, Rolex, TAG Heuer, Ulysse Nardin, Vacheron Constantin und Zenith.

Cartier Handaufzugskaliber 9402 MC

Cartier Handaufzugskaliber 9402 MC

Chopard L.U.C 1.96QP, Automatik

Chopard L.U.C 1.96QP, Automatik

Frédérique Constant 935, Automatik

Frédérique Constant 935, Automatik

Breitling Kaliber 01, Automatik

Breitling Kaliber 01, Automatik

Montblanc MB LL 100, Automatik

Montblanc MB LL 100, Automatik

Maurice Lacroix ML 190, Automatik

Maurice Lacroix ML 190, Automatik

Omega 9301, Automatik

Omega 9301, Automatik

Jaeger-LeCoultre 382, Handaufzug

Jaeger-LeCoultre 382, Handaufzug

Vacheron Constantin 2260, Handaufzug

Vacheron Constantin 2260, Handaufzug

Ulysse Nardin UN-118, Automatik

Ulysse Nardin UN-118, Automatik

Panerai P.9001, Automatik

Panerai P.9001, Automatik

Rolex 9001, Automatik

Rolex 9001, Automatik

Piaget 1200S ultra-thin, Automatik

Piaget 1200S ultra-thin, Automatik

Roger Dubuis RD620, Automatik

Roger Dubuis RD620, Automatik

IWC 89360, Automatik

IWC 89360, Automatik

Exklusive, das heißt fremd hergestellte aber nur unter eigener Signatur verkaufte, Werke bieten zum Beispiel Chronoswiss, Hermès, Richard Mille oder Harry Winston. In Deutschland agieren A. Lange & Söhne, Glashütte Original und Nomos Glashütte als echte Manufakturen.

A. Lange & Söhne L095.1, Handaufzug

A. Lange & Söhne L095.1, Handaufzug

Glashütte Original 89-01, Handaufzug

Glashütte Original 89-01, Handaufzug

Nomos Xi, Automatik

Nomos Xi, Automatik

 

Wempe wird ab Oktober 2012 mit sehr Exklusivem aufwarten. Nicht zu vergessen die japanischen Werkegiganten Citizen und Seiko.

 

Die Funktion eines ganz normalen Handaufzugswerks


Das mechanische Uhrwerk - Kaliber, Aufbau und Aufzug

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Aufs richtige Kaliber kommt es an

Besonders angenehm war das Jahr 1717 für etliche Mitglieder der Uhrmacherzunft vermutlich nicht. Damals erschien das Buch „Règle artificielle du temps”, welches der englische Mathematiker und Uhrmacher Henry Sully in Versailles geschrieben hatte. Heftig führte er in den Kapiteln VII und VIII Klage über eine Reihe seiner Berufskollegen. Diese seien so boshaft, schlecht und unverschämt, auf ihre Erzeugnisse die Namen der besten Künstler Europas zu setzen, nur um dadurch einen guten Absatz zu haben. Was sich in den folgenden Jahrhunderten auf dem Gebiet der Fälschungen und Nachahmungen noch abspielen würde, ahnte Sully vermutlich noch nicht einmal im Traum.

IWC Kaliber Jones 1870

IWC Kaliber Jones 1870

Freilich erschöpfen sich Sullys Leistungen für die Welt der Uhrmacherei bei weitem nicht in seinem literarischen Wirken. Viele handfeste Erfindungen, darunter die Ölsenkung, haben entscheidend zur Fortentwicklung der Uhrmacherkunst beigetragen. Auch die erstmalige Verwendung des Begriffs Kaliber geht wohl auf Henry Sully zurück. Schon 1715 bezeichnete er damit die Anordnung und die Abmessung der verschiedenen Teile des Werks (Säulen, Räder, Federhaus etc.). Form, Größe und Eigenart des Werks ließen Rückschlüsse auf die Herkunft einer Uhr oder den Namen ihres Erbauers zu, ermöglichten also letztlich die exakte Identifikation. Die bekannten Kaliber „Jones” (IWC), „Jürgensen” oder „Glashütte” sind typische Beispiele hierfür.

Glashütter Werk, ca. 1871

Glashütter Werk, ca. 1871

Jules Jürgensen, 1867

Jules Jürgensen, 1867

Prinzipiell hat sich an der Kategorisierung und Klassifizierung von Kalibern bis zum heutigen Tage nicht viel geändert. Immer noch stehen die Namen des Herstellers im Vordergrund. Allerdings reicht dieser alleine längst nicht mehr aus, um ein bestimmtes Kaliber unmissverständlich zu definieren. Deshalb steht hinter dem Namen zumeist eine Nummer, Buchstabenkombination oder die Kombination aus beidem. Anhand einer solchen Kaliberbezeichnung (z.B. Eta 2892-A2, Sellita SW500, oder Patek Philippe CHR 29-535 PS Q) ist es möglich, Ersatzteile zu bestellen. Heute kann man absolut sicher sein, dass sie exakt passen und lediglich eingebaut werden müssen. Gelegentliche Anpassungsarbeiten waren früher an der Tagesordnung.

In engem Zusammenhang mit den Kalibern steht deren Größe. Sie bezeichnet den Gehäusepassungs-Durchmesser, welcher beispielsweise bei der Neuentwicklung einer Uhr von entscheidender Bedeutung ist. Die Werksgrößen werden von der Schweizer Uhrenindustrie seit geraumer Zeit in metrischen Maßen (mm) dargestellt. Größenangaben runder Uhrwerke beziehen sich auf deren Durchmesser, bei Formwerken werden Länge und Breite genannt. Sie alleine sind mittlerweile ausschlaggebend für das exakte Maß eines Uhrwerks. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im traditionellen Uhrmacherhandwerk immer noch die Linie (“‘) gebräuchlich ist. Diese alte Uhren Maßeinheit, abgeleitet vom „Pied du Roi”, dem königlichen Fuß, entspricht 2,2558 mm.

Bei den Kaliberformen ist die runde mit Sicherheit die meist verwendete. Davon zu unterscheiden sind die so genannten Formkaliber, welche alle anderen Arten (oval, rechteckig, stabförmig, tonnenförmig …) umfassen. Entsprechend der Gestalt und Anordnung der Brücken und Kloben unterscheidet man in der Uhrmacherei zwischen Brückenkalibern, bei denen jedes Organ des Uhrwerks unter einer eigenen Brücke oder einem eigenen Kloben gelagert ist. Ob die Brücken gerade oder geschwungen gestaltet sind, ist letztlich nur eine ästhetische Frage. Die Funktion wird dadurch nicht beeinflusst.

Dreiviertelplatine von Mühle-Glashütte

Dreiviertelplatine von Mühle-Glashütte

Kalibern mit Dreiviertel Brücke, beispielsweise Glashütter Uhrwerke, bei denen alle Organe mit Ausnahme des Ankerrads und der Unruh unter einer Brücke angeordnet sind, die etwa ¾ der Werksoberfläche überdeckt.

Die Brückenkaliber gehen zurück auf den französischen Uhrmacher Jean Antoine Lépine (1720 1814). Er ersetzte dadurch die seinerzeit gebräuchlichen Uhrwerke mit zwei, von Pfeilern gehaltenen Platinen. Brückenkaliber wurden ab 1789 in Genf serienmäßig hergestellt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden fast alle hochwertigen Taschenuhrwerke in der neuen Brückenbauweise.

Als Lépine Kaliber werden in der Uhrenindustrie aber auch Werke bezeichnet, bei denen das Sekundenrad in einer Linie mit der Aufzugswelle angeordnet ist. Diese Bauweise findet man zumeist bei Werken für „offene” Taschenuhren mit Krone bei der „12″ und kleiner Sekunde bei der „6″. Gelegentlich gab und gibt es auch Armbanduhren mit Lépine Kalibern. Bei ihnen befindet sich die kleine Sekunde bei der „9″ oder die Krone bei der „12″.

Lépine Kaliber Unitas 6497 in einer Panerai Luminor

Lépine Kaliber Unitas 6497 in einer Panerai Luminor

Bei Savonnette Kalibern steht das Sekundenrad in einem 90-Grad-Winkel steht zur Aufzugswelle. Diese Anordnung war und ist gebräuchlich bei Uhrwerken für Sprungdeckel Taschenuhren oder Armbanduhren mit kleiner Sekunde bei der „6″.

Savonnette Kaliber

Savonnette Kaliber

 

 

Das mechanische Uhrwerk

Wie funktioniert ein Automatikwerk? - Selbst ist der Aufzug

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Damit sich in mechanischen Uhrwerken überhaupt etwas bewegt, braucht es Antriebskraft. Selbige speichert die im Federhaus verpackte Zugfeder. Und zwar in mehr oder minder stark aufgewundenem Zustand.

Im Prinzip handelt es sich bei der „Automatik“ um ein ganz normales mechanisches Uhrwerk mit Zusatzmechanismus, welcher kinetische in potenzielle Energie umwandelt. Mit anderen Worten: Die Bewegungen des Handgelenks werden zum Spannen der Zugfeder genutzt. Vehikel ist die Schwerkraft, dieses lässt eine Schwungmasse, egal ob als Zentral-, Dreiviertel- oder Mikrorotor ausgeführt, dem Erdmittelpunkt zustreben. Eine kleine Getriebekette reicht die dabei entstehende Bewegungsenergie ans Federhaus weiter.

Je nach Konstruktion der Automatik-Baugruppe besteht letztgenannte aus zwei Komponenten: Selbstaufzugs-Armbanduhren mit beidseitig wirkendem Aufzug verfügen zunächst einmal über ein Wechselgetriebe. Ihm kommt es zu, die Rotorbewegungen gleichzurichten. Die Energieerzeugung erfolgt also unabhängig von der Drehrichtung. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Techniker und Uhrmacher verschiedene Polarisierungssysteme einfallen lassen, die mit Hilfe von Zahnrädern, Schaltklinken oder Exzentern funktionieren.

 

Aufzug unabhängig von der Drehrichtung

Gleichrichter-Pionier bei Armbanduhren war der 1918 gegründete Rohwerkefabrikant Felsa. 1942 hatte das im Schweizerischen Lengnau ansässige Unternehmen die Automatik-Patente des Hauses Rolex durch einen raffinierten Schachzug ausgehebelt. Beim „Bidynator“ Kaliber 692 (Durchmesser 112 Linien, Höhe 5,8 mm) erfolgte der Rotoraufzug nämlich erstmals in beiden Bewegungsrichtungen. Der Trick: Eine kleine Wippe, welche die Verbindung zum Reduktionsgetriebe und Federhaus je nach Rotor-Drehrichtung über ein oder zwei Zahnräder herstellte.

Drei Jahre später debütierte auch Longines mit einem Rotor-Kaliber. Die Manufaktur hatte sich im Hinblick auf die rechtliche Lage ebenfalls etwas Neues, Patentwürdiges ausgedacht:
Bei ihrem 13-linigen, 6,5 mm hohen „22 A“ wirkte die Schwungmasse ebenfalls beidseitig. Die Polarisierung besorgten ein so genannter Exzenterwechsler und ein ausgeklügeltes System aus Schalt- und Sperrklinken.

Drei Jahre später, mittlerweile schrieb man das Jahr 1948, war Eterna an der Reihe. Bei den Grenchnern ließ der Ingenieur Heinrich Stamm, intern respektvoll Daniel Düsentrieb genannt, den Rotor um ein Miniatur Kugellager drehen. Das reduzierte Lagerreibung und Bruchgefahr. Darüber hinaus besaßen die Kaliber 1198 und 1199 ein gleichfalls patentiertes Wechselgetriebe mit federlosen Klinken. Dieses effiziente System zeichnete sich durch minimale Verlustwege beim Klinkenrückgang aus. Nicht zuletzt deshalb beschritten in den folgenden Jahrzehnten auch anderer Automatik-Fabrikanten diesen zukunftsweisenden Weg.

 

Zahnradwechsler im "Bidynator"

Zahnradwechsler im “Bidynator”

Journalisten lobten die „Eterna-Matic“ damals als „wissenschaftlich modernste und von Fachleuten bevorzugte Uhr”. zu diesem Urteil steuerte auch das Faktum bei, dass es Eterna erstmals in der Geschichte des Selbstaufzugs gelungen war, die Automatik in einem aus insgesamt zwölf Teilen bestehenden Modul zu vereinigen. Nach dem Lösen von drei, in neueren Kalibern sogar nur zwei Schrauben konnte es in weniger als einer Minute vom Basiswerk abgehoben werden. Natürlich profitierte auch die Rohwerke-Schwester Eta von diesem Pioniergeist. Weil Eterna den technologischen Vorsprung den Konkurrenten vorenthalten wollte, mussten sich die 1950 lancierten Eta-Kaliber 1216 und 1256 mit den Klinkenrädern begnügen, während die Schwungmasse um ein konisches Gleitlager rotierte.

Im Jahr 1944 stieß der Uhrmacher Albert Pellaton zu IWC. Als technischer Chef führte er die Schaffhauser Manufaktur ins Automatik-Zeitalter. Am 7. Juni 1950 meldete das Unternehmen eine Erfindung zum Patent an, die ebenfalls Geschichte schreiben sollte. Die Kraftübertragung vom Rotor zum Federhaus erfolgte beim Kaliber 81 sowie bei der nachfolgenden „85-er Serie” in beiden Drehrichtungen. Und zwar mit Hilfe einer Kurvenscheibe sowie eines ausgeklügelten Schaltklinken-Systems. Letzteres nimmt beim so genannten „Pellaton”-Aufzug wechselweise die Aufgaben von Aufzug und Rücklaufsperre wahr.

IWC Pellaton-Aufzug

IWC Pellaton-Aufzug

Damit zeichnete sich ein Trend ab: Die Zukunft gehörte dem beidseitig wirkenden Aufzug, weil tunlichst jede Rotorbewegung, egal in welche Richtung, zur Energiegewinnung genutzt werden sollte. Jede Menge gestalterischen Spielraum bot dabei die Konstruktion des Wechselgetriebes zur Polarisierung selbiger. Zahnrad-, Klinken- und Exzenterwechsler buhlten und buhlen bis heute um die Käufergunst.

Seite 2: Einseitiger Aufzug

 

Lagersteine - Steine, nichts als Steine

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Steine 2
Ein Uhrenstein: Seine Herstellung bedarf höchster Präzision

Ein Uhrenstein: Seine Herstellung bedarf höchster Präzision

Am Anfang stand eine Idee

Mit Uhren hatte er beruflich anfangs eigentlich wenig im Sinn, der 1664 in Basel geborene Nicolas Fatio de Duillier. Nach seinem Studium der Mathematik beschäftigte er sich zunächst mit optischen Gläsern. Ganz nebenbei entwickelte er auch ein Verfahren, mit dem sich in Edelsteine Löcher bohren ließen.

Der überragenden Bedeutung seiner Erfindung für die Uhrmacherei war sich der Wissenschaftler dabei wenig bewusst. Interessante Zukunftsperspektiven in der Welt präziser Zeitmessung eröffnete ihm erst die Begegnung mit den Brüdern Pierre und Thomas Debaufre. Gegen 1700 erkannten die beiden französischen Uhrmacher den Wert dieser Technologie für ihren aufstrebenden Berufszweig. Damals drehten sich die Zapfen der Anker- und Unruhwelle sowie diejenigen des Räderwerks in Löchern, welche die Uhrmacher Messingplatinen, -brücken und -kloben bohrten.

Bei der historischen Herstellung wurde das Loch von Hand gebohrt, zentriert und poliert

Bei der historischen Herstellung wurde das Loch von Hand gebohrt, zentriert und poliert

Durch Druck und hohe Rotationsgeschwindigkeiten hervorgerufene Lagerreibung führte über kurz oder lang zu merklichen Abnützungserscheinungen. Daher beantragte das in London lebende und wirkende Trio ein Patent auf die Verwendung gelochter Rubinen als Uhrwerks-Lager. Bereits 1704 konnten sie ihre Urkunde entgegennehmen. Unmittelbar darauf begannen die Erfinder mit der Produktion gebohrter, aber auch ungebohrter Lagesteine für tickende Mikrokosmen. Auf der Grundlage dieser revolutionären Lagertechnik erlangte die englische Uhrmacherei alsbald schon einen bemerkenswerten Vorsprung gegenüber der kontinentalen Konkurrenz. Dieser erstreckte sich über das gesamte 18. Jahrhundert. Die neuen Steinlager brachten eine bemerkenswerte Reduktion der Reibung und damit natürlich auch der Abnützung. Das wiederum steigerte die Lebensdauer mechanischer Uhrwerke ganz beträchtlich.

Zur handwerklichen Herstellung
wurde der Uhrenstein
in Schellack aufgeklebt und
in die Drehmaschine eingespannt
Eine Vielzahl von Werkzeugen war
für eine handwerkliche
Herstellung der von
Uhrensteinen notwendig

 

Ohne? Heute fast undenkbar!

Lagersteine aus synthetischem Rubin haben ein bis zwei Millimeter Außendurchmesser

Lagersteine aus synthetischem Rubin haben ein bis zwei Millimeter Außendurchmesser

Die innovative Lagertechnik setzte sich durch, wie der Blick ins Innere von Taschen- und später auch Armbanduhren unschwer erkennen lässt. Allerdings hielten ab 1902 künstliche oder -besser gesagt- synthetische Rubine ihren Einzug. Herausragende Materialeigenschaften und günstige Preise machten sie unschlagbar. Der „rubis scientifique” ist hart, homogen, in beliebiger Färbung erhältlich und lässt sich überdies relativ leicht bearbeiten. Er löste den so genannten „rekonstituierten Rubin” ab, welcher durch das Schmelzen und Pressen von Rubinabfällen entstanden war, überragende Qualität jedoch vermissen ließ. Echte Edelsteine fanden allein schon aus Kostengründen eine nur geringe Verbreitung. Von ihnen unterscheiden sich artifizielle Rubine übrigens nur durch die Art der Herstellung. Die Zusammensetzung ist hingegen gleich.

Die preiswerte Massenproduktion synthetischer Rubine – es gibt tausende Sorten von Uhrsteinen, welche sich in Durchmesser, Dicke und Lochdurchmesser voneinander unterscheiden – brachte es mit sich, dass die Industrie im Laufe des 20. Jahrhunderts selbst relativ billigen Uhrwerken Steinlager zugestand. Solche galten als echtes Qualitätsmerkmal und damit auch als Verkaufsargumente. Speziell bei gängiger Ware verlangte das Zifferblatt förmlich nach einem Hinweis auf die Steinezahl. Demgegenüber hielten sich Hersteller luxuriöser Zeitmesser meist vornehm zurück. Ihren Kunden konnten von vorneherein auf adäquate Konstruktion und Ausstattung der Werke vertrauen.

 

Mechaniktrend Schnellschwinger - Uhren mit hoher Unruhfrequenz

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Schnellschwinger mit drei Zeigern: Zu den zahlreichen Girard­Perregaux-Modellen mit Kaliber 32.7 HF und fünf Hertz Unruhfre­quenz gehörte diese Gyromatic von 1966

Eine erhöhte Unruhfrequenz ermöglicht einen präziseren Gang und, beim Chronographen, eine höhere Stoppgenauigkeit. Wir blicken in die Vergangenheit der Schnellschwinger und präsentieren die neuesten Entwicklungen.

Frühe Taschenuhren tickten mit 12.600 Halbschwingungen pro Stunde, und später etablierte sich der jahrzehntelang übliche Standard von 18.000 Halbschwingungen. Dieselbe Unruhfrequenz wurde Anfang des 21. Jahrhunderts auch auf die neu aufgekommenen Armbanduhren übertragen und ganz allmählich auf 19.800 und später 21.600 Halb­schwingungen pro Stunde erhöht. Mit letzteren drei Hertz bewegte sich beispielsweise die Unruh des 1962 vorgestell­ten Eta-Kalibers 2428 (nicht zu verwechseln mit 2824).

Schnellschwinger mit drei Zeigern: Zu den zahlreichen Girard­Perregaux-Modellen mit Kaliber 32.7 HF und fünf Hertz Unruhfre­quenz gehörte diese Gyromatic von 1966

Schnellschwinger mit drei Zeigern: Zu den zahlreichen Girard­Perregaux-Modellen mit Kaliber 32.7 HF und fünf Hertz Unruhfre­quenz gehörte diese Gyromatic von 1966

In dieser Epoche gewannen die Themen Regulierbar­keit und Langzeitstabilität zunehmend an Bedeutung. Außerdem suchte die auf Wachstum getrimmte Industrie nach Verkaufsargumenten für neue Armbanduhren. Das rückte eine weitere Steigerung der Unruhfrequenz in den Fokus. Es kristallisierten sich jedoch zwei Problempunkte heraus: Höhere Schlagzahlen verlangten erstens nach mehr Energie und zweitens nach besserer Schmierung.

Ungeachtet dessen setzten manche Produzenten alles auf eine Karte. Girard-Perregaux überraschte 1965 mit dem Automatikkaliber 32.7 HF (Hochfrequenz), dessen kleine Unruh mit flotten fünf Hertz beziehungsweise 36.000 Halbschwingungen pro Stunde oszillierte. Für diese Leistung erhielt die Uhrenmanufaktur aus La Chaux-de-Fonds im Folgejahr den Jubiläumspreis des Neuenburger Obser­vatoriums, das sein hundertjähriges Bestehen zelebrierte. 1967 stellte die Institution 73 Prozent seiner Chrono­meterzertifikate für dieses Hochfrequenzkaliber aus.

Sukzessive erlangten Fünf-Hertz-Schnellschwinger auch bei anderen Herstellern Serienreife. Der Werkehersteller AS präsentierte 1969 das Automatikkaliber 1920 und fertigte davon bis 1974 immerhin 79400 Exemplare. Der Roh­werkegigant Eta ließ sich Zeit bis 1971 und stellte dann unter anderem das Handaufzugskaliber 2806 (bis 1977 insgesamt 1.000 Exemplare) und das Automatikkaliber 2826 (34200 Stück bis 1977) vor. Gemessen an den gewohnten Stückzahlen kann man also nicht von bemer­kenswerten Erfolgen sprechen. Die Schnellschwinger waren zwar gangstabil, machten aber Probleme mit der Ölhaltung und riefen somit zahlreiche Reklamationen hervor. Deshalb stoppten sowohl AS als auch Eta den Ausflug ins Reich der mechanischen Hochfrequenz.

Ganz anders die Uhrenmanufaktur Zenith: Ihr 1969 vorge­stelltes Chronographenkaliber 3019 PHC, der legendäre „El Primero“, stoppt – bis heute – dank einer Unruhfrequenz von fünf Hertz auf die Zehntelsekunde genau.

Für die meisten Hersteller war jedoch die Anfang der siebziger Jahre eingeführte Frequenz von vier Hertz besser beherrschbar. 28.800 Halbschwingungen pro Stunde bilden nach allgemeiner Auffassung einen vernünftigen Kompromiss in Sachen Energiebedarf, Regulierbarkeit und Gangverhalten. Deshalb avancierten sie zum weithin anerkannten Standard bei mechanischen Uhrwerken unserer Tage.

 

Chopard und Fleurier Ebauches: Beginn einer neuen Kaliber-Epoche - Hintergründe zur Uhrenlinie Classic Racing Superfast

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Das Chopard-Kaliber 01.01-M treibt die Classic Racing Superfast Automatic an.

Das Chopard-Kaliber 01.01-M treibt die Classic Racing Superfast Automatic an.

Superfast“ heißt sie, die brandneue Uhrenlinie von Chopard. Den kurvigen Weg dorthin konnte Karl-Friedrich Scheufele freilich nur mit eher moderater Geschwindigkeit zurücklegen. „Auch im Nachhinein will mir mitunter nicht in den Kopf, warum manche Dinge so lange dauern können und Verspätungen an der Tagesordnung sind.“ bekannte der auto- und tempoversessene Co-Präsident des Genfer Familienunternehmens beim Lancement der sportiven Zeitmesser am spanischen Ascari-Circuit.

Andererseits hat er sich das entschleunigte Prozedere irgendwie auch selbst zuzuschreiben, denn der ambitionierte Herr über die Chopard Uhren und der dahinter stehenden Manufaktur im abgeschiedenen Fleurier ist unverbesserlicher Perfektionist. „Das liegt klar an meinen deutschen Wurzeln und der grundsätzlichen Einstellung meiner Familie, die zweifelhafte Kompromisse entschieden ablehnt.“ Wie dem auch sei: Nach vier Jahren ist es nun definitiv geschafft, kann und darf die innen und nun auch außen fertiggestellte Werkefabrik mit Namen Fleurier Ebauches endlich zeigen, wozu sie imstande ist. Wer sucht, findet sie gegenüber der seit 1996 im ehemaligen FEF-Gebäude (Fabrique d’Ebauches de Fleurier) untergebrachten Chopard Manufacture.

Die neue Classic Racing Superfast Automatic von Chopard.

Die neue Classic Racing Superfast Automatic von Chopard.

Fabrik für bis zu 20.000 Werke pro Jahr

Auf die Frage, warum Chopard sich gleich zwei Kaliber-Standbeine mit jeweils eigener Infrastruktur leistet, hat Karl-Friedrich Scheufele eine logische Antwort parat: „Als uns die Swatch Group 2002 unmissverständlich wissen ließ, dass sie sich schrittweise aus der Lieferung von Werkekits und fertigen Eta-Kalibern zurückziehen werde, mussten wir handeln.“ L.U.C-Uhren spielen bekanntlich in der obersten und damit einer anderen Liga als das Breitengeschäft. Wie der Zufall so will, stand 2008 in Fleurier das verwaiste Fabrikgebäude des Maschinenbauers Tornos zum Verkauf. „5.100 Quadratmeter Nutzfläche passten in unser Konzept einer Werkefabrik mit einer Kapazität von bis zu 20.000 Exemplaren jährlich.“ Nun, nach aufwändiger millionenschwerer Sanierung erstrahlt der langgestreckte Komplex in neuem Glanz optimaler Technik und energetischer Effizienz. „Unser Anliegen war das Erreichen des Schweizer Minergie-Standards. Und das ist ebenso gelungen wie ein bestmöglicher Gewässerschutz.“

In der Variante 01.02-M bietet das Superfast-Kaliber eine Gangreserve-Anzeige.

In der Variante 01.02-M bietet das Superfast-Kaliber eine Gangreserve-Anzeige.

Der Maschinenpark und die Ateliers repräsentieren den neuesten Stand der Technik. Alles ist darauf ausgelegt, qualitätsvolle Uhrwerke von den Platinen bis hin zu den Stahlteilen unter dem eigenen Dach produzieren, montieren und regulieren zu können.

Besonders stolz ist Karl-Friedrich Scheufele auf zwei hochpräzise vertikale Bearbeitungszentren von Mori Seiki. Chopard gehört zu den ganz wenigen Schweizer Uhrenfabrikanten, die mit ihrer Hilfe bis zu einem Zehntelmillimeter Durchmesser fräsen können. Feiner geht es derzeit kaum. Außerdem braucht das was hier entsteht, keinerlei Nacharbeit mehr.

Hightech und menschliche Präzision

Ungeachtet aller Präzisionsfertigung checkt ein Multisensor-Koordinatenmesssystem alles penibel nach statistischen Vorgaben. Maschinen zum vollautomatischen Setzen der Steine oder Einpressen von Stellstiften reduzieren die Fehlerquote auf ein Minimum. Menschlich geht es dann beim Finissieren der Oberflächen zu. Und natürlich beim Montieren der Uhrwerke auf ebenfalls brandneuen Lecureux-Bänken. Automaten bewirken wiederum, dass jedes Lager ein exakt dosiertes Quantum Öl erhält. Bezüglich Unruh und Unruhspirale hat Chopard durch eine strategische Partnerschaft mit der Sandoz-Tochter Atokalpa ebenfalls beizeiten Vorsorge getroffen und kräftig investiert. „Bei Fleurier Ebauches beschäftigen wir gegenwärtig etwa 40 Personen, davon neunzig Prozent operativ, den Rest mit administrativen Aufgaben. Wenn alles wie geplant läuft, werden wir Ende 2012 bereits 6.000 Uhrwerke gefertigt haben.“ Über dem klassischen Automatikwerk rangiert ein Selbstaufzugs-Chronograph. Der Verwendungszweck im Kollektionsspektrum definiert die jeweilige Ausführung und Dekoration. Sehr klassisch präsentiert sich beispielsweise das 28,8 mm große, 4,95 mm hohe 01.04-C mit beidseitig wirkendem Kugellagerrotor für die in Basel vorgestellte „Classic Manufaktur“ mit weißem Porzellanzifferblatt.

 

Das neue automatische Chronographen-Werk 03.05-M von Chopard.

Das neue automatische Chronographen-Werk 03.05-M von Chopard.

Die Kompetenz bleibt bei Chopard

Ganz anders die kürzlich in Anwesenheit von Ex-Rennfahrer Jackie Ickx – einem Freund der Familie – vorgestellte „Superfast“-Variante. Sie steht im Zeichen eines durchbrochenen Engine-Look, welcher den genannten Präzisionsmaschinen zu verdanken ist. Die Automatik mit Zentralsekunde, Fensterdatum und 60 Stunden Gangautonomie heißt 01.01-M. Chronographenfans kommen beim exklusiven, vom Manufakturkaliber 11CF abgeleiteten 03.05-M mit 28,8 Millimetern Durchmesser sowie ebenfalls 60 Stunden Gangautonomie zu ihrem Recht. Die Unruh des Rotorkalibers oszilliert mit vier Hertz. Ergo lässt sich auf die Achtelsekunde genau stoppen. Der Chronograph mit Schaltradsteuerung verfügt über einen 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler sowie die Möglichkeit permanenter Nullstellung (Flyback). Das Fensterdatum findet sich zwischen „4“ und „5“, die kleine Sekunde bei der „6“. Chopard offeriert das Premierenmodell nur mit massivem Goldgehäuse. Und dazu mit amtlichem Chronometerzeugnis. Edlen Stahl wird erst die Baselworld 2013 bringen.

Natürlich haben sich die Leistungsfähigkeit der Fleurier Ebauches und das Spektrum exklusiver Uhrwerke in der Branche längst herumgesprochen. Bei der Frage, ob außenstehende Interessenten in absehbarer Zeit von dieser Kompetenz profitieren können, winkt Karl-Friedrich Scheufele unverzüglich ab. „Alles, was wir derzeit produzieren können, benötigt Chopard ausnahmslos für sich selbst. Und daran wird sich, soweit es sich heute absehen lässt, auch in den kommenden Jahren nichts ändern.“ glb

Den Chronograph der Linie Classic Racing Superfast präsentierte Chopard im Beisein von Jackie Ickx.

Den Chronograph der Linie Classic Racing Superfast präsentierte Chopard im Beisein von Jackie Ickx.

Zugfedern - Spannungskurve

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Mit einer besonders langen Feder erreicht A. Lange & Söhne 31 Tage Gangautonomie

Das Federhaus ist der Kraftstofftank des Uhrwerks. Ohne ihn würde sich kein Rad des komplizierten Mechanismus drehen. Mit verschiedenen Materialien und Bauarten streben Uhrmacher nach möglichst langen Gangreserven.

Prinzipiell unterliegen moderne Zugfedern enormen Anforderungen. Sie sollen bei einer minimalen Klingenstärke von bis zu 75 Tausendstelmillimetern ein hohes und vor allem möglichst konstantes Drehmoment entwickeln. Grundsätzlich wächst das Drehmoment der Federn linear mit ihrer Breite. Überproportional schlägt dagegen die Stärke der Klinge zu Buche: Eine doppelte Klingenstärke steigert das Drehmoment etwa um den Faktor acht. Bleibt die Länge der Zugfeder. Jedes Plus führt zu einer höheren Gangautonomie des Uhrwerks – das heißt, es läuft länger –, jedoch verringert sich das Drehmoment linear mit der Länge.

Zugfedern müssen vielfältige Bedingungen erfüllen: Sie dürfen nicht ermüden, sich nicht verbiegen, knicken oder gar abbrechen, noch dazu sollen sie Korrosion und Magnetismus trotzen. Um dies zu erreichen, spielen zunächst einmal zeitgemäße Werkstoffe eine Rolle. Seit etwa 1965 haben struktur- und kaltgewalzte Legierungen die anfälligen Federspeicher aus Kohlenstoffstahl abgelöst. Bei ihnen treten die oben erwähnten Schwierigkeiten nur noch selten auf; etwa dann, wenn extrem ungünstige Temperatur-, Konstruktions- und Umgebungseinflüsse zusammenkommen. Zugfedern aus der Legierung „Nivaflex“, die heute bei hochwertigen Uhren am häufigsten verwendet wird, sind amagnetisch, bestechen durch extreme Zugfestigkeit bis zu 3.000 Megapascal, über 800 Vickers Härte, hohe Biegewechselfestigkeit, exzellente Korrosionsbeständigkeit und gute Temperaturbeständigkeit von –50 bis +350 Grad Celsius. Die Legierung besteht dabei aus 45 Gewichtsprozenten Kobalt, 21 Nickel, 18 Chrom, 5 Eisen, 4 Wolfram, 4 Molybdän, 1 Titan und 0,2 Beryllium; der Kohlenstoffanteil liegt unter 0,1 Prozent. Ein höherer Grad an Beryllium steigert die Festigkeits- und Härtewerte zusätzlich, was Miniaturisierungsanforderungen gerecht wird.

Feder

Zugfeder im Lieferzustand

Auf das Ende kommt es an

Damit eine Zugfeder die gewünschten Eigenschaften erfüllt, kommt es neben den oben erwähnten modernen Werkstoffen auch auf eine spezielle Konstruktion des Federendes und des Federzaums an. Letzterem kommt die Aufgabe zu, das äußere Ende des spiralförmig gewundenen Bandes an der Wandung des Federhauses zu halten. Der Zaum zwingt die Feder bei ihrer Entspannung auf der Federwelle in eine möglichst konzentrische Form. Die Reduktion der Reibung zwischen den Windungen ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Bei Handaufzugsuhren wird der Zaum kurz vor dem Ende und nicht ganz am Schluss des Metallbandes angebracht. Automatikuhren verlangen nach einer anderen Lösung, da hier beim Tragen fortwährend Energie zugeführt wird. Eine starre Befestigung des Federendes an der Wandung des Federhauses ist nicht möglich. Zur Vermeidung von Überspannungen hat die Uhrenindustrie den Gleitzaum ersonnen: Mithilfe dieser exakt berechneten Schleppfeder kann die Zugfeder zuerst ihr Spannungsmaximum aufbauen. Ist dies erreicht, vernichtet die mit dem Gleiten einhergehende Reibung den erzeugten Überschuss.

Wer zum ersten Mal eine Zugfeder im Lieferzustand sieht, mag es fast nicht glauben. Sie ist s-förmig gebogen, hat also mit der im Federhaus verpackten Gestalt wenig zu tun. Die Vorteile bestehen unter anderem in einer gleichmäßigeren Spannungsverteilung über die gesamte Federlänge, mit der ein relativ konstantes Drehmoment einhergeht. Grundsätzlich liefern Zugfedern bei Vollaufzug ein sehr hohes, im mittleren Bereich ein relativ gleichmäßiges und am Ende ein deutlich sinkendes Antriebsmoment.

Kaliberentwicklung

Bei der Entwicklung eines neuen Kalibers spielen das Federhaus und das darin aufgewundene Speicherelement eine fundamentale Rolle. Weil bei klassischen Konstruktionen Stundenrad und Minutenrohr das Zentrum für sich beanspruchen, bestimmt der Platinenradius den maximalen Durchmesser des Federhauses. Seine Rotationsgeschwindigkeit definiert den Drehmomentsverlust in den ersten 24 Stunden nach Vollaufzug. Anschließend wird die Feder einer Handaufzugsuhr üblicherweise wieder komplett aufgewunden. Korrekt meint der oft falsch verwendete Terminus Gangreserve deshalb die darüber hinausreichende Zeit, bevor das Uhrwerk anhält. Die Zeit, die vom Vollaufzug bis zum Stehenbleiben verstreicht, nennt man dagegen Gangautonomie.

Das Innere des Federhauses (oben: Zugfeder in entspanntem Zustand) bleibt für den Betrachter eines Uhrwerks unter dem Deckel verborgen (links)

Zusammen mit einem kleinen Übersetzungsverhältnis zum Zentrumszahntrieb mindern schnelle Federhausdrehungen die Einbuße an Drehmoment. Mit neun bis zehn Federhausumdrehungen geht ein guter Wirkungsgrad einher. Ein allerdings nur theoretisches Plus bewirken bis zu zwei zusätzliche Umgänge. Aus diesen Gegebenheiten errechnen die Konstrukteure dann die optimale Klingenstärke der verwendeten Zugfeder, die das Federhaus idealerweise zu 55 bis 60 Prozent füllt. Dabei sollte sich das beim Ankerrad eintreffende Drehmoment während des ersten Tages höchstens um 15 Prozent reduzieren. An diesen Kriterien orientiert sich die Berechnung des gesamten Räderwerks, um einen gleichmäßigen Gang der Uhr zu erreichen. Nach Georges-Albert Berner, dem ehemaligen Direktor der Uhrmacherschule Biel, sollte die Schwingungsweite der Unruh bei voll gespannter Zugfeder in horizontaler Lage 1½ bis 1¾ Umdrehungen erreichen. Nach 24 Stunden Gang sollten es mindestens noch 1¼ sein. Dabei sei zu beachten, dass die Amplitude in vertikaler Lage geringer ist als in der Horizontalen.

 

Eterna: Die neue Kaliberfamilie 39 - Modularität – aus 1 mach 88

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Die Schweizer Uhrenmarke Eterna lanciert eine neue Kaliberfamilie, mit der sich dank ihrer Modularitiät und Vielseitigkeit gleich 88 verschiedene Uhrwerksversionen realisieren lassen. Aus einer tickenden Plattform entstehen unter Hinzufügung von bis zu acht Modulen 78 unterschiedliche Anzeigevariationen und 88 verschiedene Uhrwerke. Zudem lassen sich 106 Uhrentypen gestalten.

Das neue modulare Kaliber 39 von Eterna

Das neue modulare Kaliber 39 von Eterna

Die Entwicklung dieses Uhrwerks, welches bisher seinesgleichen sucht, startete bereits im Jahr 2007. An dem genialen Konzept haben neben dem Ideengeber Patrick Kury auch der Technische Direktor Samir Merdanovic als Konstrukteur sowie der COO Jörg Ammann als Projektleiter entscheidend mitgewirkt. Das, was als Kaliberfamilie 39 mit großer Wahrscheinlichkeit für Aufsehen erregen wird, passt völlig problemlos in alle Gehäuse, die für den Chronographen-Bestseller Eta 7753 konzipiert wurden. Auf dessen Dimensionen haben Kury und sein Team den Kaliber-Newcomer aufgesetzt.

Somit gibt es künftig neben dem Sellita-Kaliber SW 500 eine weitere, deutlich exklusivere aber auch um einiges teurere Alternative zu den Erzeugnissen der Swatch Group, welche ihre Lieferungen an externe Kunden ohnehin lieber heute als morgen weiter drosseln möchte.

Eterna will die Kaliberfamilie 39 nicht nur für den eigenen Bedarf fertigen, sondern sie auch an Dritte verkaufen. Zu diesem Zweck haben die fernöstlichen Eigentümer die Eterna Movement Company (EMC) gegründet. Die Eterna-Schwester zeichnet fortan für die Produktion der Uhrwerke und deren Vertrieb verantwortlich.

Eterna Kaliber 39 Aufbau

Vielfalt im Detail

Dank eines intelligenten Zusammenwirkens verschiedener Baugruppen lässt sich das Spektrum vom relativ einfachen Handaufzugswerk mit zwei oder drei Zeigern bis hin zum Automatik-Chronographen realisieren. Innerhalb kürzester Zeit lässt sich das Handaufzugswerk durch Entfernen einer Blindbrücke sowie der dortigen Montage einer Baugruppe mit Reduktionsgetriebe und Klinkenwechsler in eine Automatik mit beidseitig wirkendem Kugellagerrotor verwandeln. Ob Anzeige von Datum, Tag und/oder zweiter Zeitzone – alles ist in kürzester Zeit zu bewerkstelligen.

Preiswert und effizient

Bei der gesamten Konstruktion haben die Entwickler darauf geachtet, mit möglichst wenig unterschiedlichen Komponenten auszukommen. Bauteil-Standardisierung wurde deshalb groß geschrieben. Mit Blick auf preisgünstige Serienfertigung wird vieles mit nur einem Werkzeug gestanzt.

Beim Schwing-und Hemmungssystem setzt Eterna auf die bewährten Standards dessen, was sich im Eta 2824 seit Jahrzehnten bewährt: eine vier Hertz Unruhfrequenz und eine Qualitätsfaktor von 320. Bei den Unruhspiralen, einem derzeitigen Knackpunkt mechanischer Zeitmesser, denkt Patrick Kury ebenfalls in die Zukunft. Abhängigkeit von Nivarox kam für ihn nicht in Frage. Diesbezüglich hat bereits sein visionärer Vor-Vorgänger Ernst Seyr einiges unternommen und investiert. Details dazu möchten die Verantwortlichen bei Eterna gegenwärtig aber noch nicht in die Öffentlichkeit gelangen lassen.

Rund 70 Prozent aller Komponenten für die Kaliberfamilie 39 werden in Grenchen und Umgebung produziert. Ziel ist es über kurz oder lang, Eterna wieder zu einer Schweizerische Uhrenmanufaktur zu machen, deren innovative Produkte, Tradition und Fortschritt gleichermaßen demonstrieren.

Wandelbar: der Chronograph aus der Kaliberfamilie 39

Wandelbar: der Chronograph aus der Kaliberfamilie 39

Gegenwart und Zukunft

Sicher ist, dass die Kaliberfamilie 39 ab dem kommenden Frühjahr Realität wird. Die Basisversionen haben ihre Zuverlässigkeitsprüfungen schon erfolgreich absolviert. Die Chronographen-Module funktionieren ebenfalls und müssen jetzt zu Chronofiable in den Jura.
Auch Mondphasenanzeige und Schleppzeiger befinden sich schon in der Pipeline. Dort, sich wo das Chronographen-Modul um das Stoppen von Zeitintervallen kümmert, findet problemlos auch ein ewiges Kalendarium Platz.

Schritt für Schritt in die neue Manufaktur-Zukunft

Mit der Kaliberfamilie 39 betritt Eterna in punkto eigener Werke jedoch kein Neuland. Bereits 2005 lancierte die Marke das flache Automatikkaliber 3030 mit neuartigem Großdatum. Allerdings eignet sich dieses flache Automatikwerk weder für eine Industrialisierung noch für die Erweiterung beispielsweise durch den beliebten Chronographen.

Gleiches gilt für die Manufakturwerke 3800 und 3505 mit dem patentierten „Spherodrive“. Hierbei steht die Lagerung des Federhauses im Vordergrund uhrmacherischer Optimierung. Die Aufzugswelle mit zwei Kugellagern ist in das Aufzugssystem eingegliedert. Davon unabhängig wird das Federhaus fliegend auf einem Kugellager positioniert und direkt ins Ablaufsystem integriert. Die daraus entstehende Bewegung hat sowohl weniger Reibung als auch weniger Kraftverlust bei der Abgabe der Energie zur Folge. glb

 

 


Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Nivarox - Temperaturkompensierende Unruhspiralen

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Nivarox Unruhspirale
Historisches Werbeplakat von Nivarox 1932

Historisches Werbeplakat von Nivarox 1932

Bei allen technischen Vorzügen besaß der innovative und deshalb 1919 patentierte Unruhspiralen-Werkstoff Elinvar (élasticité invariable) des Physik-Nobelpreisträgers Charles Edouard Guillaume auch seine Nachteile. Der Legierung aus Stahl, Nickel und Chrom fehlte es an Härte. Deshalb reduzierte sich die Unruh-Amplitude im Vergleich zu stählernen Unruhspiralen spürbar. Genau dieser Sachverhalt ließ den Schweizer Ingenieur Reinhard Straumann (1892 – 1967) nicht ruhen. Der studierte Uhrentechniker und Feinmechaniker kann mit Fug und Recht als Universalgenie gelten. Gemeinsam mit Siemens kreierte er den Chronokomparator als erste Zeitwaage.

Weitaus wichtiger war jedoch 1933 die Entwicklung des bis heute verwendeten Materials Nivarox für selbstkompensierende Unruhspiralen. Der patentierte Werkstoff, im Kundenauftrag geheimnisvoll legiert von der hessischen Heraeus-Vacuumschmelze, aus Stahl und Nickel unter Beigabe von Kobalt, Beryllium, Molybdän, Wolfram sowie Titan, ist temperaturstabil (Temperaturkoeffizient 0,5 sec/°C in 24 Stunden), hochelastisch, weitgehend unmagnetisch und dazu rostfrei.

Nivarox Unruhspiralen

Nivarox Unruhspiralen

Die daraus geformten Unruhspiralen machten teure Kompensationsunruhn obsolet. Zusammen mit monometallischen Glucydur-Unruhn bewirkten sie ein stabiles Gangverhalten mechanischer Uhren. Nivarox ist übrigens ein Kunstwort, das „nicht variabel, nicht oxidierend“ meint. Bis metallene Unruhspiralen aus diesem Material möglicherweise durch Exemplare aus Silizium, künstlichen Diamanten oder Zerodur ersetzt werden, dürfte noch viel Wasser die Donau, den Rhein oder die Rhône hinunter fließen. glb

Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Glucydur - Die Suche nach dem idealen Unruh-Werkstoff

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Glucydur-Unruh

Parallel zur Nivarox-Entwicklung beschäftigten sich eidgenössische Wissenschaftler in den 1930er Jahren logischerweise auch mit dem idealen Unruh-Werkstoff. Hierfür bot sich das Glucydur förmlich an. Der Terminus setzt sich zusammen aus Glucinium (Beryllium) und dur (hart). Bei diesem Material, mitunter auch Berrydur genannt, handelt es sich um eine Kupferlegierung, der etwa drei Prozent Beryllium beigemengt werden.

Glucydur-Unruh

Glucydur-Unruh

Erkennungsmerkmal ist das goldfarbene Erscheinungsbild. Unruhn aus Glucydur besitzen eine Härte von 380 Vickers, solche aus Nickel lediglich 220 und solche aus Messing sogar nur 180. Somit lassen sie sich vorzüglich vernieten, auswuchten und feinregulieren. Robert Lavest, ehemaliger Direktor der Uhrmacherschule Le Locle, charakterisierte die Glucydur-Unruh folgendermaßen: „Diese Unruh, gefertigt aus einem sehr harten Metall, Härte 400 Brinell, amagnetisch, nicht oxidierend, von feinem Glanz, zeichnet sich durch ihr bemerkenswertes Finish und die Würde feiner Handwerkskunst aus, welche sie einem Uhrwerk verleiht. Für Massenprodukte ebenso wie für besondere Uhrwerke ist die Glucydur-Unruh sehr begehrt, geschätzt von Zapfen-Rollieren und auch von Regleuren. Die Glucydur-Unruh erleichtert das Regulieren und ihre Erfindung bedeutet einen wichtigen Schritt in der Uhrentechnik.“

Nachdem die größte Masse außen am Unruhreif liegen muss, ersetzte die maschinell ausgewuchtete Ringunruh die überlieferten Unruhn mit Masse- und Regulierschrauben. Ab 1968 fand sich dieser Typus Unruh in ungefähr 90 Prozent aller mechanischen Qualitätsuhrwerke. Der Gang lässt sich in diesem Fall durch Verschieben des Rückers beeinflussen, dessen rückwärtig befestigter „Schlüssel“ die aktive Länge der Spiralfeder verändert. In den späten 1940er Jahren erkannten Patek-Philippe-Techniker, dass ein Austausch der radial eingesetzten Masse- und Regulierschrauben durch geschlitzte und auf axial angeordneten Stiften drehbar gelagerte Regulierelemente eine deutliche Verbesserung mit sich bringen würde.

1951 konnte die aus Glucydur gefertigte „Gyromax“-Unruh mit variablem Trägheitsmoment, welche den Rücker entbehrlich macht, unter den Schutz des Patentrechts gestellt werden. Weil Beryllium nachweislich giftig und karzinogen ist, hat es in Uhren möglicher Weise eines Tages ausgedient. Die Swatch Group setzt schon jetzt auf Titan. Patek Philippe hat Silizium für seine „Oscillomax“ entdeckt. Auch Künstlicher Diamant oder Zerodur könnten Alternativwerkstoffe für die Zukunft sein. glb

Gyromax-Unruh von Patek Philippe

Gyromax-Unruh von Patek Philippe

Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Nivaflex - Die Suche nach dem idealen Zugfeder-Werkstoff

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Zugfeder im Federhaus

Zugfedern bestanden jahrzehntelang aus reinem rostanfälligen und bruchgefährdeten Kohlenstoffstahl. Dann lösten struktur- und kaltgewalzte Legierungen die anfälligen Federspeicher ab. Hier treten besagte Schwierigkeiten nur noch dann auf, wenn extrem ungünstige Temperatur-, Konstruktions- und Umgebungseinflüsse zusammenkommen. Zu den Pionieren des Besseren gehörte 1948 einmal mehr Reinhard Straumann. Sein „Nivaflex” ist legiert aus 42 bis 48 Prozent Kobalt, 15 bis 25 Prozent Nickel, 16 bis 22 Prozent Chrom sowie je 2 bis 6 Prozent Molybdän, Wolfram und Eisen; außerdem Spuren von Titan und Beryllium. Der Kohlenstoffanteil liegt unter 0,1 Prozent. Ein höherer Grad an Beryllium steigert die Festigkeits- und Härtewerte zusätzlich.

Zugfeder im Federhaus

Zugfeder im Federhaus

Daraus gefertigte Zugfedern sind amagnetisch, bestechen durch extreme Zugfestigkeit, über 800 Vickers Härte, hohe Biegewechselfestigkeit, exzellente Korrosionsbeständigkeit und gute Temperaturbeständigkeit von -50 bis 350 Grad Celsius. Logischerweise hängt die Gangautonomie eines Uhrwerks bei Verwendung klassischer Nivaflex-Federn von deren Länge ab. An die Stelle einer sehr langen Zugfeder können auch mehrere kurze treten, welche ihre Kraft seriell oder parallel geschaltet an das Räderwerk abgeben. Denkbar ist, wie Cartier bei der ID-2 zeigte, künftig ein Federmaterial zu verwenden, welches die Automobilindustrie schon seit Längerem herausfordert.

Cartier: ID2

Cartier: ID2

Stabhochspringer vertrauen ebenfalls auf hochelastische, mechanisch feste Glasfaser-Verbundwerkstoffe mit bemerkenswerter Energiespeicherfähigkeit. Bänder, gefertigt aus Mikro-Glasfasern und Epoxidharz, können bei gleichem Volumen 30 Prozent mehr Energie speichern. Zur Reibungsminderung lassen sie sich mit „Parylenen“, einem hauchdünnen, porenfreien, transparenten und extrem glatten Polymerfilm beschichten. Mehr energetische Effizienz ist angesichts steigender Unruhfrequenzen in der Uhrenindustrie auch dringend gefragt. Eine flächendeckende Ablösung des bewährten „Nivaflex“ ist demnächst jedoch nicht zu erwarten. glb

Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Cäsium - Präziseste Zeitmessung per Ätherwellen

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Auf Isidor Isaac Rabi geht die Molekularstrahl-Magnetresonanz-Methode zurück. 1937 schlug er seinem jungen Mitarbeiter Norman Ramsey die Erforschung der Kernresonanz zur Messung magnetischer Eigenschaften von Atomen und Molekülen als Dissertationsthema vor. Der angehende Doktorand fand das nicht sonderlich spannend, machte sich aber dennoch an die Arbeit, die 1940 angenommen wurde. Darauffolgend entwickelte sich die MRI-Technik zu einem echten Renner, denn sie gestattete unter anderem dreidimensionale Abbildungen bestimmter Körperorgane. Die gewonnenen Erkenntnisse wirkten sich auch auf die Präzisionszeitmessung aus.

Die Atomuhr CS2 im Atomuhrensaal in Braunschweig

Die Atomuhr CS2 im Atomuhrensaal in Braunschweig

Bereits in den frühen 1930er-Jahren stand fest, dass sich der Atomkern aus Protonen und Neutronen zusammensetzt. Zudem ist er umgeben von Elektronen verschiedener Energieniveaus. Die Wissenschaft war sich auch sicher, dass Atomkern und Elektronen als bewegte elektrische Ladungen wie kleine Magnete agieren und sich so gegenseitig beeinflussen. Daraus resultierten Energie­übergänge, welche einer extrem temperaturstabilen Frequenzverschiebung von sekündlich einigen Milliarden Schwingungen entsprechen. Und exakt das nutzte Ramsey 1955 in seiner Funktion als Professor an der Harvard University zusammen mit Robert Vessot für die Entwicklung der Cäsiumuhr. 1967 löste dieses Instrument die Rotation der Erde als Zeit­normal ab. Seitdem ist die Menschheit eine Sekunde älter, wenn in der Elektronenhülle des Cäsiumatoms 9.192.631.770 elektromagnetische Schwingungen abgelaufen sind. Atomuhren am Handgelenk wird es sicher nicht geben.

Seiko: Astron GPS Solar

Seiko: Astron GPS Solar

Aber Funkuhren, welche die Cäsium-Zeit per Ätherwellen empfangen, sind aus der modernen Uhrenwelt nicht mehr wegzudenken. Das modernste und umfassendste Beispiel ist die Astron GPS Solar von Seiko. glb

 

Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Kugellager - Die Erfindung des Kugellagerrotors

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Eterna: Kaliber 2365 mit Massivgold-Kugellagerrotor von 1958

Die Gegenwart der Armbanduhr mit Selbstaufzug verlangt beinahe zwingend nach einem Blick zurück ins Jahr 1947. Damals beschäftigte sich im Hause Eterna der 1939 eingestellte Techniker Heinrich Stamm mit der problematischen Lagerung des zentral positionierten Rotors. Als technischer Direktor, intern später oft mit „Daniel Düsentrieb“ tituliert, betrieb Stamm intensive Studien hinsichtlich besserer Lösungen als der bis dahin bekannten. Letzten Endes führten seine Forschungen zu einem Miniatur-Kugellager.

Eterna: Kaliber 2365 mit Massivgold-Kugellagerrotor von 1958

Eterna: Kaliber 2365 mit Massivgold-Kugellagerrotor von 1958

In der Patentschrift vom 28. September 1949 ist zu lesen: „Die fünf Kugeln von je 0,65 Millimeter Durchmesser, von denen tausend wenig mehr als ein Gramm wiegen, werden durch einen sehr fein gearbeiteten Käfig mit wenig Spiel im richtigen Winkelabstand gehalten. Sie bleiben bei zerlegtem Kugellager samt dem Käfig im äußeren Lagerring hängen.“ Diese wahrhaft geniale Erfindung schaffte in der Tat alle Probleme üblicher Zapfenlager aus der Welt. Wenn dem nicht so wäre, hätte sich der Kugellagerrotor nicht zum unangefochtenen Weltstandard bei Automatikarmbanduhren entwickelt. Weil die winzigen Stahlkugeln regelmäßiger Schmierung bedürfen, hat in vielen derartigen Rotorlagern inzwischen extrem harte und daher nahezu wartungsfreie Keramik Einzug gehalten. glb

Cartier: das Kaliber 1904-PS MC besitzt einen Zentralrotor mit Keramikkugellager

Cartier: das Kaliber 1904-PS MC besitzt einen Zentralrotor mit Keramikkugellager

Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Kunststoff - Die Plastik-Erfolgsstory

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Tissot: Kaliber Astrolon
Tissot: Idea 2001

Tissot: Idea 2001

Wer meint, Swatch sei die erste Plastik-Armbanduhr gewesen, irrt gewaltig. Schon ab 1970 beschritt beispielsweise Tissot völlig neue Wege in der Uhrenfertigung. Unter der Bezeichnung Idea 2001 präsentierte die Marke eine erstaunliche mechanische Uhr mit transparentem Kunststoffgehäuse, die als Wegbereiterin der Swatch gelten kann. Ihre Genese resultierte nicht zuletzt aus der beruflichen Herkunft Edouard-Louis Tissots. Bis zu seinem Eintritt ins Familienunternehmen hatte er nichts mit der Uhrenindustrie zu tun. Nicht zuletzt deshalb brachte der Elektroingenieur viele unkonventionelle Ideen mit. Die betrafen auch das Uhrwerk selbst, das nach regelmäßiger Schmierung verlangt. Aus seinem früheren Betätigungsfeld wusste Edouard-Louis Tissot, dass Stahlachsen in Kunststofflagern ohne Schmierung rotieren können. Deshalb beauftragte er eine kleine Abteilung mit zwei Spezialisten, dieses System für die Uhrenfertigung nutzbar zu machen. Zunächst wurden verschiedene Kaliber modifiziert. Weil auf den Lagern eines mechanischen Uhrwerks jedoch permanenter Druck lastet, erwies sich dieser Weg als nicht gangbar. Umdenken und Experimentieren war angesagt. So lange, bis ein komplettes mechanisches Kunststoffkaliber entstanden ist. Doch damit nicht genug: Auch die erforderlichen Fertigungsmaschinen entstanden auf den Tissot-Reißbrettern. So schlug Anfang der 1970er Jahre die Geburtsstunde der – eigentlich – genialen Plastikuhrwerke Sytal oder Astrolon, bei denen sich die Stahlteile „selbstschmierend” in Kunststoff drehten.

Tissot: Kaliber Astrolon

Tissot: Kaliber Astrolon

Die Freude über den konstruktiven Erfolg mündete allerdings in einem schwerwiegenden Marketingfehler. Zu schnell und noch nicht vollständig serienreif sollten die Kaliber 2250, 2270 (mit Datum) und 2280 (mit Datum und Wochentag) auf den Markt, denn die Quarzwelle rollte heran und die Furcht vor Konkurrenz war groß. Also kehrte man bekannte Probleme kurzerhand unter den Tisch. „Wenn man diese Uhr ständig trug,“, so ein damaliger Mitarbeiter, „liefen die Räder mit Stahlachsen immer besser. Und schließlich hatte im ganzen Mechanismus die Feder im Verhältnis zur Spirale auf der Unruh zu viel Kraft. Die Uhr prellte, das heißt sie lief viel zu schnell. Weil das Werk nicht demontierbar war, musste man es auswechseln.“ Uhrmacher vertraten die Ansicht, dass Plastik eines mechanischen Uhrwerks und insbesondere einer Tissot nicht würdig wäre. Deswegen scheiterten weitere Versuche, in Tissot-Kalibern Plastikbestandteile zu verwenden. Die Zeit war einfach noch nicht reif für Kunststoff.

Die wahre Plastik-Erfolgsstory begann dann 1979 unter dem Namen „Delirium vulgaris” (korrekt natürlich „Delirium vulgare”). Der Werkehersteller Eta sollte eine Kunststoffquarzuhr mit analoger Zeitanzeige entwickeln. Das Konstruktionsprinzip formulierte Dr. Konstantin Theile aus der Eta-Chefetage wie folgt: „Eine Spritzgussschale, welche auch die Funktion der Trägerplatte hat, enthält in ihrem Innern alle für die verschiedenen Bestandteile notwendigen Befestigungsvorrichtungen…“ Gegenüber herkömmlichen Analogquarzuhren begnügte sich das Entwicklungsprojekt mit nur 51 Einzelteilen. Die Montage von oben sowie vorgefertigte Module bescherten beträchtliche Kostenvorteile. Ende 1981 präsentierten der Kunststoffingenieur Elmar Mock, der Uhreningenieur Jacques Müller und der Designer Hans Zaugg fünf handgefertigte Prototypen, alsbaldige Ausfallquote 100 Prozent. Erst 1983 erlangte das patentierte Kaliber ESA 500 seine Serienreife. Die geniale Swatch war geboren.

Eta Kaliber C01.211

Eta Kaliber C01.211: Anker und Ankerrad (unter der Unruh) bestehen aus grauem Kunststoff

Aus mechanischen Uhrwerken verschwand Kunststoff nach dem Tissot-Desaster übrigens nicht vollständig. Das 1973 lancierte Valjoux 7750 und das Lemania 5100 besaßen durchaus langfristig funktionstüchtige Plastikteile. Das gilt auch für das 2009 lacierte Eta C01.211, ein 5100-Derivat. Analog zum weltraumerprobten Vorbild besitzt die Neukonstruktion der Eta ebenfalls eine zifferblattseitig montierte Kulissenschaltung zur Steuerung der zeitschreibenden Funktion. Mit von der Partie sind auch eine vertikale Reibungskupplung mit Kunststoffkomponenten sowie andere Plastikteile, zu denen auch die komplette Hemmung aus Hochleistungskunststoff zählt. Auf diesem Gebiet verfügt die Eta allerdings über einschlägige Erfahrungen. Das 1991 vorgestellte Kaliber Eta 2840, welches die Automatik-Swatch beseelt, verfügte ab 1997 über einenKunststoffanker und ab 2002 auch über eine Ankerrad aus diesem Material. glb

Werkstoffe und Materialien von Uhren: Quarz - Die Uhrengeschichte des Kristalls

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Die weltweit erste Quarzuhr: Sie entstand 1929, als Marrison einen Synchronmotor an den Quarz-Frequenzgenerator anschloss

Chemisch ist Quarz, gerne auch Bergkristall genannt, reines Siliziumdioxid (SiCh), also ein gleichermaßen farbloses wie transparentes Mineral. Durch den Schmelzprozess nimmt es seine glasähnliche Gestalt an. Der 1859 geborene Franzose Pierre Curie entdeckte und erforschte ab 1880 die piezoelektrischen und damit auch für die Uhrenindustrie nutzbaren Eigenschaften des Werkstoffs. Kurz gefasst, beginnt ein piezoelektrischer Kristall in der Frequenz einer angelegten Wechselspannung zu vibrieren. Mechanisch zum Schwingen angeregt, generiert der Quarz seinerseits Wechselspan­nung. Die Resonanzfrequenz resultiert zum einen aus der Größe des Kristalls selbst oder eines daraus geschnittenen Teils, andererseits hängt sie von der Schnittausrichtung durch den Kristall ab.

W. A. Marrison (rechts) und J.W. Horton am Bell Communication Laboratory. Links der quarzstabilisierte Frequenzgenerator von 1927.

W. A. Marrison (rechts) und J.W. Horton am Bell Communication Laboratory. Links der quarzstabilisierte Frequenzgenerator von 1927.

Jene Erkenntnisse machten sich die Elektroingenieure Joseph W. Horton und Warren A. Marrison ab 1927 zunutze. Beide arbeiteten im New Yorker Bell Lab, einem Forschungszentrum der Western Electric. Dort sollten sie auf der Grundlage überlieferter Erkenntnisse einen quarzstabili­sierten Frequenzgenerator aus der Taufe heben. Rein zufällig mutierte dieses Instrument 1928/1929 nach dem Ausscheiden von Horton zur sogenannten Crystal clock, der weltweit genauesten Uhr. Während die damals besten Pendeluhren jedes Jahr etwa drei Sekunden von der astronomischen Norm abwichen, brachte es der elektronische Newcomer rechnerisch jährlich nur auf 0,3 Sekunden.

Die weltweit erste Quarzuhr: Sie entstand 1929, als Marrison einen Synchronmotor an den Quarz-Frequenzgenerator anschloss

Die weltweit erste Quarzuhr: Sie entstand 1929, als Marrison einen Synchronmotor an den Quarz-Frequenzgenerator anschloss

Seine Genese beruhte auf der Tatsache, dass die Zeit den Reziprokwert der Frequenz verkörpert. Marrisons Leistung gelangte 1932 mit der Nummer 1.788.533 unter den Schutz des amerikanischen Patentrechts. Danach gab es quarztechnologisch fast kein Halten mehr. England wartete 1931 mit einer eigenen Quarzuhr auf, Deutschland 1932, Frankreich 1936 und Japan 1937. 1969 fand die quarzgesteuerte Präzisionszeitmessung auch ans Handgelenk. glb


Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Zirkonoxidkeramik

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Die Verarbeitung von Zirkonoxidkeramik erfolgt anfänglich allein mit Hilfe von Pressverfahren und anschließendem Sintern oder per CIM

Wirklich geschmeidig geht das Wort nicht über die Lippen: Zirkonoxidkeramik. Aber dieser Werkstoff hat es in sich. In der Technik, im Engineering und in der Rehabilitationsmedizin ist er beinahe unentbehrlich. Wer sich mit dem Basismaterial befasst, muss in den Archiven bis ins Jahr 1789 stöbern. Da entdeckte ein Mann namens Martin Klaproth das Zirkonium. Im Rahmen umfangreicher Mineralanalysen erforschte der deutsche Chemiker die Hintergründe des chemischen Elements, welches den Metallen zuzuordnen ist. Wer Zirkonium verarbeiten möchte, muss jedoch eine chemische Umwandlung vornehmen. Bekanntlich handelt es sich bei Keramiken um gebrannte Materialien. Der Vorgang des Brennens bringt die Sauerstoffaufnahme mit sich, die aus Zirkonium das Zirkoniumdioxid macht. Und genau das verwendet die Industrie als Ausgangsstoff für unterschiedlichste Zirkon-Produkte.

Die Verarbeitung von Zirkonoxidkeramik erfolgt anfänglich allein mit Hilfe von Pressverfahren und anschließendem Sintern oder per CIM

Die Verarbeitung von Zirkonoxidkeramik erfolgt anfänglich allein mit Hilfe von Pressverfahren und anschließendem Sintern oder per CIM

Frühen Nutzungsmöglichkeiten begegnet man gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Der Glühkörper der 1897 von Walther Nernst erfundenen Nernstlampe bestand aus eben jenem Zirkoniumdioxid. Das Aufspüren des mehr als beachtlichen Potenzials der auf diesem Material basierenden Hightech-Keramik nahm anschließend beträchtliche Zeit in Anspruch. Uhrenfabrikanten lernten Vorteile wie antiallergische Eigenschaften, ein geringes Gewicht sowie Kratz- und Verschleißfestigkeit sogar erst in den 1980er Jahren kennen.

Zu den anerkannten Keramik-Pionieren gehören zweifellos IWC und Rado. Letztere Uhrenmarke sorgte 1986 mit der DiaStar Integral für Aufsehen. Aber dieser Zeitmesser besaß anfangs nur ein Armband aus kratzfes­ten Keramik-Komponenten. Erst drei Jah­re später gelang die Fertigung von Ge­häuse und Krone. Das Produkt hieß DiaStar Ceramica.

Rado: DiaStar Ceramica

Rado: DiaStar Ceramica

Im Herbst 1986 lancierte die Schaffhauser IWC ihre schwarze Da Vinci mit Keramikgehäuse. Hierzu haben die Produktentwickler mit erfahrenen Firmen zusammengearbeitet: Aufwendiger als die Herstellung des keramischen Gehäuserings gestaltete sich anschließend das Montieren der verschiedenen „Armaturen“, zu denen auch die beweglichen Bandanstöße gehörten.

IWC: Da Vinci Keramik

IWC: Da Vinci Keramik

Mit der Herstellung von Hochleistungskeramik verknüpfen sich wichtige Kriterien: die Reinheit des jeweiligen Pulvers und seine Korngröße. Gebräuchlich sind Körner von circa einem Tausendstelmillimeter, was in etwa einem Fünftel der Di­cke eines menschlichen Haares entspricht. Die anschließende Verarbeitung erfolgte zu Beginn allein mit Hilfe von Pressverfahren und anschließendem Sintern oder per CIM.

Für die Herstellung von Hochleistungskeramik

Für die Herstellung von Hochleistungskeramik

Sintern meint das Verdichten und Zusammenhaften der winzigen Teile bei hohen Temperaturen, heutzutage jenseits von 1.400 Grad Celsius. Vereinfacht kann der Vorgang mit dem Backen eines Kuchens verglichen werden. Hinter dem Buchstabenkürzel CIM verbirgt sich Ceramics Injection Molding zur Fabrikation komplexerer und insbesondere auch präziserer Formen. In diesem Fall wird Keramikpulver zuerst homogenisiert, dann zu Gra­nulat vorbereitet und anschließend mit Hilfe eines Spritzgussverfahrens in Form gebracht. Am Sintern führt freilich auch hier kein Weg vorbei. Fertige Keramikprodukte erhalten zum Schluss ihren seidigen Glanz durch das Polie­ren mit Diamantstaub. Spätestens jetzt werden größere Poren oder kleinste Fehler gnadenlos sichtbar.

Für die Uhrenindustrie sind leichte, kratzfeste Schalen mit antiallergischen Eigenschaffen nicht das einzige keramische Anwendungsgebiet. Daneben lassen sich winzige Kugeln zur Lagerung beispielsweise der Selbstaufzugsrotoren formen. Circa. 1.500 Vickers Härte und andere günstige Materialeigenschaften machen eine Schmierung dieser hoch belasteten Lager entbehrlich. Die Manufaktur Frédérique Constant experimentiert derzeit auch an einem Monoblock-Anker mit integrierter Welle samt den dünnen Zapfen – alles aus Keramik. Wenn das klappt, gehört Öl auch hier der Vergangenheit an.

Das Hightech-Material Keramik hält in der Tat einiges aus. Unsanfte Berührungen mit scharfen Gegenständen nehmen Keramikschalen ebenso gelassen hin wie den schabenden Kontakt beispielsweise mit der Türklinke. Natürlich gibt es auch die berühmte Kehrseite der Medaille. Der Werkstoff ist spröde. Stürze auf harte Flächen mag er gar nicht. Bedeuten sie doch leicht den Exitus der eigentlich dauerhaft schönen Gehäuse. Im Gegensatz zu normalen, gut dehnbaren Metallgehäusen, die einen Riss auffangen, bricht Keramik ohne jede Vorwarnung. Nicht zuletzt deshalb war Vorsicht immer schon die Mutter der Porzellankiste. glb

Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Silizium

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Ulysse Nardin: Das Werk einer Freak

An diesem Faktum lässt sich definitiv nicht rütteln: 2001 läutete Ulysse Nardin eine neue Material-Ära in der Zeitmessung ein. Der mittlerweile verstorbene Hauptaktionär Rolf Schnyder und sein damaliger Chefkonstrukteur Ludwig Oechslin, beides in ihrer Weise Freaks, zeichnen sich verantwortlich für das so getaufte Karussell-Tourbillon mit hoch innovativer Dual Direct Hemmung. Deren Funktionsabläufe bedeuteten einen bemerkenswerten Schritt weg von der überlieferten Schweizer Ankerhemmung. An ihre Stelle traten zwei Hemm- und Antriebsräder. Im Rahmen einer Funktionsanalyse per Hochgeschwindigkeitskamera förderten die Techniker der Ingenieursschule Le Locle sehr schnell die Achillesferse des Freaks ans Tageslicht: die hohe Trägheit beider Räder bei Verwendung des relativ schwergewichtigen Stahls. Rat wusste Michel Vermot. Der Professor an der kantonalen Ingenieursschule schlug vor, das Centre Suisse d’Electronique et de Micromecanique (CSEM) in Neuchâtel einzubinden. Selbiges sei imstande, extrem leichte Komponenten aus Silizium mit einem spezifischen Gewicht von nur 2,2g/mm³ zu fertigen. Nach ersten Kontakten im April 2000 konnte im Juni ein Kooperationsvertrag zur Realisierung der Dual-Direct-Hemmung mit Hilfe von Silizium-Bauteilen unterzeichnet werden. Bereits am 5. September 2000 standen erste Komponenten zur Verfügung.

Der mittlerweile verstorbene Hauptaktionär Rolf Schnyder und sein damaliger Chefkonstrukteur Ludwig Oechslin (links)

Der mittlerweile verstorbene Hauptaktionär Rolf Schnyder und sein damaliger Chefkonstrukteur Ludwig Oechslin (links)

Nach dem Lancement der Freak-Uhr im November 2001 wollte das CSEM von Ludwig Oechslin wissen, ob sich neben den Hemmrädern noch andere Komponenten für die Verwendung Silizium eigneten. Die knappe, aber wie immer präzise Antwort: Unruhspiralen. Oechslin beließ es nicht bei Worten. Er lieferte die Zeichnungen, das CSEM führte aus und testete. Der Erfahrungsbericht datierte auf den März 2002. Das Silizium-Zeitalter in der mechanischen Uhrmacherei hatte begonnen. Der Schönheitsfehler für den Ideengeber: An Patente dachte er nicht, sondern andere.

Ulysse Nardin: Das Werk einer Freak

Ulysse Nardin: Das Werk einer Freak

Zum High-Tech-Werkstoff an dieser Stelle in aller Kürze nur so viel: Silizium verfügt über dieselbe Kristallstruktur wie Diamant, ist drei Mal leichter als Stahl, dazu ausgesprochen hart, antimagnetisch, sehr korrosionsfest. Außerdem besitzt Silizium oder, genauer gesagt, das Oxid, welches es nach der thermischen Behandlung umgibt, positive mechanische Eigenschaften. Der Reibungskoeffizient ist so niedrig, dass es keine Schmiermittel braucht. Schließlich bringt modernste Fertigungstechnologie absolut gleiche Komponenten, also echte Klone hervor. Die Tatsache, dass Ulysse Nardin ein Material verbaute, welches sich bis dahin nur in elektronischen Quarzuhren fand, rief natürlich Kritiker auf den Plan. In ihren Augen hatte diese Form der Werkstoff-Wahl mit traditioneller Uhrmacherei so gut wie nichts mehr zu tun. Rolf Schnyder und sein Team ließen sich freilich nicht beirren. Ihnen war klar, dass man es niemals allen Seiten recht machen kann. Der Freak 01 mit Dual-Direct-Hemmung aus Silizium, welche CSEM-IMT fertigte sowie mit ultrahartem, diamantähnlichem Karbon (DLC) beschichtete, stellte seine Qualitäten von 2001 bis 2004 durchaus eindrucksvoll unter Beweis. glb

Der aktuelle Freak von Ulysse Nardin

Der aktuelle Freak von Ulysse Nardin

Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Diamant

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CVD-Prozesskammer: Der Plasmastrahl lässt den Diamant wachsen

Silizium ist gut, aber für Uhren gibt es im Grunde genommen einen besseren Werkstoff, den Frauen gerne als besten Freund bezeichnen: Diamant, das härteste Material überhaupt. Hier kann Ulysse Nardin abermals als Pionier gelten. Am 26. April 2002 gab es erste Kontakte mit der GFD, Gesellschaft für Diamantprodukte, einem Ulmer Start-up mit Aktivitätsschwerpunkt chemisches Dampfabscheiden (CVD) zur synthetischen Herstellung von Diamanten.

Produktion von Diamanten: Diamant-CVD-Anlage

Produktion von Diamanten: Diamant-CVD-Anlage

Noch im Juni 2002 stand ein „Test“-Objekt der neuartigen Dual-Direct-Hemmung aus CVD-Diamant zur Verfügung. Ihm folgten neuartige Spiralfedern, welche die elastischen Eigenschaften von Diamant unter Beweis stellen sollten. Diamant ist nämlich gar nicht so hart und unflexibel, wie es bei oberflächlicher Betrachtung scheint. Am 27. Dezember 2002 tickten die ersten Uhren. Gleichwohl ließ der Freak Diamond Heart bis 2005 auf sich warten. Die 100 Exemplare waren zwar im Nu ausverkauft, die mit einer Volldiamant-Hemmung verknüpfte Kostenbilanz fiel jedoch ernüchternd aus: CVD-Komponenten schlagen mit dem 50-fachen des Preises von Silizium-Bauteilen zu Buche. Zum Glück zeichnete sich schon damals ein goldener Mittelweg namens Freak DiamonSil ab.

Ulysse Nardin: Freak DiamonSil

Vorreiter: In Ulysse Nardins Freak DiamonSil kam zuerst eine Hemmung aus diamantbeschichtetem Silizium zum Einsatz.

Die Hemmung der 2007 lancierten Uhr mit dem Kaliber 200 bestand aus einem neuartigen Materialverbund: Silizium-Bauteile mit synthetischer, nano-kristalliner Diamantschicht. Die präzisen und infolge ihrer geringen Masse auch energiesparenden Komponenten entstanden zum einen bei der Schweizer Sigatec SA in Sion und der deutschen GFD in Ulm. Doch selbst dieses vielversprechende Verfahren bedingte mengenmäßige Beschränkungen und eine limitierte Edition des Freak DiamonSil. Noch unter der Ägide von Rolf W. Schnyder konnte Ulysse Nardin die DCS-Technologie (Diamond Coated Silicon) erwerben. Zusammen mit der GFD und ihrem Geschäftsführer Peter Gluche entstand im neuen Gebäude der Sigatec SA eine eigene Abteilung, die sich mit Hilfe eines hoch komplexen Brüters um die Diamantbeschichtung von Siliziumbauteilen kümmert.

Spätestens jetzt stellt sich die Frage, warum überhaupt Diamant, wenn Silizium so perfekt ist, wie mancherseits gerne behauptet?

Der „Unbezwingbare“ besticht nicht nur durch Härte, sondern auch durch Leichtigkeit. Das spezifische Gewicht liegt etwa bei 25 Prozent unter dem des bereits sehr leichten Titans. Trotzdem besitzt Diamant die rund zehnfache mechanische Festigkeit gegenüber Titan. Die Tatsache, dass derart harte Werkstoffe ungemein spröde sind, gilt auch für Diamant. Durch die bemerkenswerte mechanische Festigkeit braucht es ausgesprochen hohe Kräfte, um Diamant zu brechen. Vergleichsweise gering sind auch die Verluste, wenn zwei glatte Diamantflächen aufeinander reiben. Selbst ohne Schmiermittel liegen sie bei nur 20 Prozent jener Reibung, welche Messungen des Aufeinandertreffens von Stahl und synthetischem Rubin ergeben.

Ulysse-Nardin-Prototyp: Diamant als Material für die Unruhspirale

Ulysse-Nardin-Prototyp: Diamant als Material für die Unruhspirale

Bekanntlich sind natürliche Diamanten ungemein teuer. Ein weiterer Grund, warum sie sich nicht für Uhrenbauteile eignen, ist die fehlende Bearbeitungsmöglichkeit mit konventionellen Technologien. Andererseits besteht Diamant vollständig aus Kohlenstoff. Der wiederum ist preiswert und nahezu unbegrenzt zu haben. In der Natur entstehen Diamanten unter mächtigem Druck von etwa 70 kbar bei Temperaturen von rund 1500°Celsius in einer Tiefe von ungefähr 150 km. 1955 gelang es erstmals die Natur zu imitieren und Graphit, also schwach gebundenen Kohlenstoff auf künstlichem Weg in Diamant zu transformieren. Bei diesem Prozess brauchte es Temperaturen von bis zu 2.000°C und Druck bis zu 60 kbar. Einen weiteren Durchbruch brachten die 1980er Jahre, als Techniker das innovative CVD-Verfahren entwickelten.

CVD-Prozesskammer: Der Plasmastrahl lässt den Diamant wachsen

CVD-Prozesskammer: Der Plasmastrahl lässt den Diamant wachsen

CVD, ausgeschrieben Chemical Vapor Depositon, lässt den im Methan (Biogas) enthaltenen Kohlenstoff in einer dünnen Schicht als Diamant kondensieren. Erzeugt werden Diamantüberzuge auf Trägermaterial unter Energiezufuhr bei einem Unterdruck von etwa einem mbar. Die Schicht besteht aus mehr oder minder großen Diamantkristallen, welche an ihren Seiten zusammenwachsen. Beschichtete Bauteile besitzen somit quasi die beschriebenen Diamanteigenschaften. Für die meisten mikromechanischen Anwendungen reicht eine Schichtstärke von fünf Tausendstelmillimeter völlig aus. Diamant unterscheidet sich von Graphit und anderen Kohlstoffarten durch die besonders starke Aneinanderbindung der Kohlenstoffatome. Von nichts kommt freilich nichts. In diesem Fall erfordert die Verknüpfung der Kohlenstoffatome jede Menge Energie. Dazu ein geballtes Quantum an Know-how, welches im Reaktor der Sigatec SA steckt. Er resultiert aus etwa zehn Jahren intensiver Entwicklungsarbeit. Während dieser Zeit entstanden vier jeweils ausgiebig getestete Modelle. Als bislang größte ihrer Art, gestattet die aktuelle Variante eine Industrialisierung dieser Art von Diamantproduktion für die Mikromechanik. Dünne Diamantschichten sind dort gefragt, wo bereits ein zu optimierendes Werkstück existiert. In diesem Fall sind es Silizium-Komponenten, welche auf mikrotechnologischem Wege mit Hilfe von Deep Reactive Ion Etching, kurz DRIE, entstehen.

Diamantunruh für Greubel Forsey: Goldgewichte sorgen später für genügend Masse.

Diamantunruh für Greubel Forsey: Goldgewichte sorgen später für genügend Masse.

Beim Hemmungsrad von Ulysse Nardin umgibt eine 5µm dicke Schicht aus nanokristallinem Diamant den Siliziumkern.

Beim Hemmungsrad von Ulysse Nardin umgibt eine 5µm dicke Schicht aus nanokristallinem Diamant den Siliziumkern.

Den patentierten Trockenätzprozess für Silizium hatten Ingenieure der Robert Bosch GmbH bereits in den frühen 1990er Jahren aus der Taufe gehoben. Danach erfolgte eine kontinuierliche Weiterentwicklung. DRIE ätzt ungeschütztes Silizium mit Hilfe von Fluorionen auf chemischem Wege. Das bringt Komponenten mit geraden Kanten und beinahe perfekt glatte Flanken hervor. Die Folge sind fast reibungsloses Gleiten und ölfreie Funktion. Die extrem aufwendige Verfahrenstechnik macht DRIE jedoch ausgesprochen teuer. Analog zu Microchips werden Uhrenkleinteile mit dieser Methode regelrecht geklont. Ein Stück gleicht also hundertprozentig dem anderen. Zur Herstellung bedarf es zunächst einer stark vergrößerten, extrem präzisen Zeichnung der gewünschten Komponente. Durch geschickte Verkleinerungsprojektion auf das definitive Maß wird die mit lichtempfindlichem Fotolack überzogene Fläche eines Siliziumwafer optimal genutzt.
Soll noch mit Diamant beschichtet werden, muss das bei der Konstruktion selbstverständlich Berücksichtigung finden. Im Silizium-Waver werden die Bauteile mithilfe kleinster Brücken gehalten und dreidimensional mit der hauchdünnen nanokristallinen Diamantschicht überzogen. Die nötige Prozessenergie ist übrigens nicht von schlechten Eltern. Wer wie Ulysse Nardin im Manufakturkaliber UN 118 diamantbeschichtete Siliziumkomponenten verwenden möchte, braucht im Grunde genommen nur ein Konzept: Mimotec liefert die ultrapräzise lithographische Vorstufe, Sigatec offeriert die Ätzanlagen und den Reaktor zur Diamantbeschichtung. glb

Werkstoffe und Materialien mechanischer Uhren: Spiromax, Pulsomax und Gyromax

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Spiromax-Spirale aus Silinvar

Zur Optimierung des Werkstoffs Silizium und zur Entwicklung einer praktikablen Verfahrenstechnik für die Serienproduktion von Ankerhemmungen und Spiralfedern starteten Patek Philippe, die Swatch Group und Rolex 2003 mit dem CESM, an dem die Swatch Group beteiligt ist, ein durchaus ehrgeiziges Projekt. Ziel war es, ein Silizium-Material mit stabilen Elastizitätswerten in einem breiten Temperaturspektrum zu schaffen. Dass es sich um den Werkstoff der Zukunft handelt, mochte der zwischenzeitlich verstorbene Nicolas G. Hayek damals noch nicht bestätigen: „Es ist ein Material, das wir künftig überall dort benutzen werden, wo es der Schönheit und der Qualität dienen wird.“

Patek Philippe: Jahreskalender Referenz 5250 Advanced Research

Patek Philippe: Jahreskalender Referenz 5250 Advanced Research

Den ersten Wurf machte Patek Philippe im Genfer Stadtteil Plan-les-Ouates. 2005 präsentierte die Manufaktur ihre neue Referenz 5250 „Advanced Research“ mit Jahreskalender und klassischer Schweizer Ankerhemmung. Lediglich 100 Exemplare standen den internationalen Märkten zur Verfügung (von der 2006 vorgestellten Referenz 5350 gab es bereits 300 Exemplare). Die Besonderheiten des Automatikkalibers 324 S IRM QA LU bestanden im Ankerrad aus monokristallinem Silizium und der neuen Spiromax-Spirale aus Silinvar.

Spiromax-Spirale aus Silinvar

Spiromax-Spirale aus Silinvar

Die Spiromax mit selbst zentrierender Spiralrolle und integrierter Spiralklötzchenbefestigung bietet gegenüber dem bislang Gebräuchlichen handfeste Vorteile: die aktive Länge der Spirale muss nicht für jedes Werk justiert werden, die Schwingungen erfolgen auch bei flacher Bauweise weitestgehend konzentrisch. Hinzu kommen positive Werte in Punkto Temperaturkompensation und Resistenz gegenüber Magnetfeldern. Ähnliches gilt für die Empfindlichkeit gegenüber Zentrifugal- und Gravitationskräften, da Spiromax-Spiralen drei Mal weniger wiegen als herkömmliche.

Breguet Referenz 5197

Breguet Referenz 5197

Im gleichen Jahr wartete Breguet in der Referenz 5197 mit einem modifizierten Zwei-Federhaus-Kaliber 591 A auf. Das Automatikwerk basiert auf dem legendären Longines-Kaliber L 990 und verlangt aus konstruktiven Gründen nach einer Spirale ohne hochgebogene Endkurve. Hier konnte Silizium seine Vorteile erstmals in der Uhrengeschichte bei einem klassisch konstruierten Kaliber voll und ganz ausspielen. Zum Silizium-Ankerrad und -Anker gesellte sich eine flache Unruhspirale aus dem gleichen Werkstoff, welche trotz ihrer flachen Ausformung ähnliche Eigenschaften wie die Breguetspirale aufwies.

Unruhspiralen im Vergleich

Unruhspiralen im Vergleich

2008 war einmal mehr Patek Philippe am Zuge: In der Referenz 5450 rundete die von Grund auf neu konstruierte und effizient arbeitende Pulsomax-Hemmung das Silizium-Spektrum ab. In den wiederum nur 300 Exemplaren bestand das gesamte Schwing- und Hemmungssystem aus dem viel diskutierten Werkstoff.

Patek Philippe: Referenz 5450

Patek Philippe: Referenz 5450

Pulsomax-Hemmung von Patek Philippe

Pulsomax-Hemmung von Patek Philippe

Dank ausgeklügelter Geometrie mit großdimensionierten und individuell geformten Ankerpaletten liegt die Energieübertragung vom Räderwerk zur Unruh 15 bis 20 Prozent über jener der klassischen Schweizer Ankerhemmung. Beim Anker handelt es sich um ein Monoblock-Gebilde ohne eingelackte Rubinpaletten. Die Integration der Paletten macht die Justage der Eingriffstiefe ins Ankerrad entbehrlich. Die zweite Pulsomax-Innovation bezieht sich ebenfalls auf die Ankerpaletten. Bekanntlich verlangt die klassische Schweizer Ankerhemmung nach Begrenzungen  für die Winkelbewegung des Ankers. Das ist bei der Pulsomax-Hemmung nicht der Fall, denn der Anker steckt sich seine Grenzen allein durch die Form der Paletten mit zusätzlicher Funktionsfläche. Die dritte technische Innovation gilt der Funktion des zwischen der hinteren Ankergabel befestigten Sicherheitsstifts. Dank DRIE (Deep Reactive Ion Etching) übernimmt diese Aufgabe eine kleine, auf einer zweiten Horizontalebene angebrachte Brücke zwischen den Gabelenden des Ankers. Zur Steigerung des Wirkungsgrads hat das Team um Jean-Pierre Musy die integrierten Ankerpaletten vergrößert. Das wiederum bedingte zwangsläufig eine modifizierte Gestalt des Silinvar-Ankerrads: Die Zahl der Zähne reduzierte sich von 20 auf 16.

Glucydur-Unruh

Glucydur-Unruh

Bei der Unruh selbst gab es keine Veränderungen. Hier blieb Patek Philippe vorerst der bereits 1949 angedachten Glucydur-Unruh mit variablem Trägheitsmoment treu. Damals hatten Techniker im Hause Patek Philippe erkannt, dass die Eliminierung der radial eingesetzten Masse- und Regulierschrauben bei herkömmlichen Glucydur-Unruhn eine Vergrößerung des Radius und damit eine Steigerung ihres Trägheitsmoments bei annähernd gleichem Gewicht und in letzter Konsequenz bessere Gangleistungen nach sich ziehen würden. Die 1951 patentierte Unruh mit acht geschlitzten und auf axial angeordneten Stiften drehbar gelagerten Regulierelementen hielt über die Jahrzehnte hinweg, was sich die Erfinder von ihr versprochen hatten.

Aber bekanntlich ist das Bessere immer des Guten Feind. So auch im Falle von Patek Philippe. Die neueste, 2011 vorgestellte, Unruh-Kreation nennt sich GyromaxSi. Ihr Name ist Botschaft, denn sie vereint die altbekannten und bewährten Vorzüge der Gyromax-Unruh mit den unbestreitbaren Vorteilen des Silinvar. Um ein höheres Gewicht zu erreichen, fügte die Manufaktur noch massives Gold hinzu.

Patek Philippe: GyromaxSi-Unruh

Patek Philippe: GyromaxSi-Unruh

In diesem Zusammenhang hieß es bei Patek Philippe zunächst einmal Abschied nehmen vom üblichen kreisförmigen Unruhgebilde. Dies resultiert aus der Tatsache, dass eine Unruh klar definierte Eigenschaften besitzen muss. Dazu gehört ein möglichst geringes Gesamtgewicht bei gleichzeitig hohem Trägheitsmoment. Diesem scheinbaren Widerspruch begegnet die Unruh mit dem bekannten Reif. Auch die Reibungswiderstände dürfen nicht aus den Augen verloren werden, denn rund 60 Prozent der Energieverluste bei oszillierenden Unruhn sind dem Luftwiderstand geschuldet. Bei der GyromaxSi-Unruh wurde möglichst viel Masse an die Peripherie verlagert: durch eine extrem leichte, aber feste Struktur aus Silinvar mit Goldkörpern an beiden Enden. Die verglichen mit herkömmlichen Materialien 3,6 Mal geringere Dichte von Silinvar reduziert die Masse an der Welle um fast zwei Drittel. Hinzu gesellen sich eine hohe Homogenität bei der Massenverteilung, Korrosionsbeständigkeit und die Resistenz gegenüber magnetischen Einflüssen. Durch die Befüllung kleiner Wannen mit 24-karätigem Gold kann Patek Philippe das Volumen deutlich reduzieren und das wiederum mindert den Luftwiderstand. Dynamische Messungen bescheinigen der GyromaxSi einen Energiegewinn von mehr als 20 Prozent. Natürlich muss sich auch eine neuartige Unruh wie diese regulieren lassen. Patek Philippe hat die kleinen Masselots zur Veränderung des Trägheitsmoments aerodynamisch günstig neben den Goldkörpern positioniert.

Patek Philippe: Ewiger Kalender Referenz 5550 P

Patek Philippe: Ewiger Kalender Referenz 5550 P

Die Summe aller Bemühungen zeigt sich im Mikrorotor-Kaliber 240, welches die limitierte Referenz 5550P mit ewigem Kalender beseelt. Die Ausstattung mit einem Silinvar-Assortiment lässt die Gangautonomie von 48 auf 70 Stunden steigen.

Dass der neue Werkstoff allen Unkenrufen zum Trotz eine große Zukunft vor sich hat, geht aus der zunehmenden Verwendung in gängigen Patek-Philippe-Kalibern hervor. Inzwischen findet sich die Spiromax-Spirale in nahezu allen Kalibern 324 und CH 28-520 PS. Die Werke 215 und 240 werden nach und nach folgen.

Auch andere Pioniermarken sind nicht untätig. Omega verbaut in der koaxialen Ankerhemmung nach Georges Daniels moderne Silizium-Komponenten. Und Breguet steht dem kaum nach. De Bethune, Frédérique Constant, Hublot, Jaeger-LeCoultre oder Zenith sind weitere Manufakturbeispiele, deren Namen sich mittlerweile mehr oder minder stark mit Silizium verknüpfen. glb

Die mechanische Armbanduhr

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Rolex 9001, Automatik
Damenuhr von Rolex aus dem Jahr 1905

Damenuhr von Rolex aus dem Jahr 1905

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts steckte die Armbanduhr noch in den Kinderschuhen. Vor allem die Uhrmacher wetterten gegen den neuen Uhrentyp. Aber auch der Fachhandel zeigte sich nicht unbedingt begeistert. 1915 bekannte ein betagter und erfahrener Verkäufer, dass die Armbanduhr trotz aller zugeschriebenen Mängel allgemein verlangt werde und dass man den Geschmack des Publikums zu respektieren habe. Dennoch betrachtete er die Vorliebe für die Armbanduhr als eine Verirrung des weiblichen Geschmacks, denn das Handgelenk sei sicherlich der unpassendste Ort zur Befestigung einer Uhr. Des Weiteren beklagte er sich über den mangelhaften Gang dieser Zeitmesser. Doch, so stellte er weiter fest, sei dieses Übel für die auf diesem Gebiet dominierende Damenwelt nicht sehr groß, denn diese müsse die Uhrzeit ohnehin nicht sekundengenau kennen.

Für die Herren kämen hingegen nur gut ausgeführte Uhrwerke mit Ankerhemmung in Frage, welche die Zeit im Allgemeinen gut bewahrten. Doch hätten letztere bedauerlicherweise keine allzu große Verbreitung gefunden, da die Fabrikanten wegen des größeren Profits mehr Wert auf die Dekoration und wertvolle Ausführung der Gehäuse legen würden.

Seit dieser Zeit hat sich viel getan

Die Armbanduhr hat sich zu einem nicht mehr wegzudenkenden Kulturobjekt entwickelt. Und die seit etwa zehn Jahren währende Renaissance der mechanischen Zeitmessung zeigt, dass traditionelle Werte bei den Uhrenliebhabern trotz elektronischer Präzision hoch im Kurs stehen.

An der Funktionsweise der tickenden Uhrwerke hat sich seit der Erfindung der mechanischen Räderuhr um das Jahr 1300 abgesehen von technischen Verbesserungen und einer Miniaturisierung – im Wesentlichen nichts geändert.

Deshalb kann man die Behauptung aufstellen, dass es wohl keine Maschine gibt, als solche können mechanische Uhrwerke bezeichnet werden, welche auf einen derart langen Bewährungszeitraum und Optimierungsprozess zurückblicken kann.

Das eigentliche Uhrwerk setzt sich zusammen aus dem Rohwerk (französisch: Ebauche), der Hemmung (französisch: Echappement), dem Unruhreif mit Spiralfeder, der Zugfeder, dem Zifferblatt und den Zeigern zusammen.

Das Rohwerk, vergleichbar mit dem Motor eines Autos ohne Vergaser, Zündung und Verteiler, ist ein komplettes Uhrwerk ohne Hemmung, Unruhreif, Spiralfeder, Zugfeder, Zifferblatt und Zeiger. Erhältlich ist es ohne oder mit eingepressten Lagersteinen. Es setzt sich zusammen aus mindestens sechzig verschiedenen Teilen.

Im Jahre 1960 konnte allein die schweizerische Rohwerke Holding Ebauches SA (AS, ETA, FEF, Felsa, FHF, Landeron, Peseux, Valjoux, Venus u.v.a.) 220 unterschiedliche Kaliber mit manuellem oder automatischem Aufzug liefern.

Mittlerweile hat sich sowohl die Zahl der Rohwerkehersteller als auch die Zahl der lieferbaren mechanischen Kaliber drastisch verringert. Zu den wichtigsten Fabrikanten preiswert tickender und vor allem frei verkäuflicher Ebauches zählen heute in der Schweiz die Eta, Sellita und Soprod.

Automatikkaliber Eta 2892

Automatikkaliber Eta 2892

Automatikkaliber Sellita SW500

Automatikkaliber Sellita SW500

Automatikkaliber Soprod A10

Automatikkaliber Soprod A10

 

 

Sie liefern ihre Produkte an verschiedene Kunden im In- und Ausland. Allerdings hat die Eta, an deren Tropf schätzungsweise rund 80 Prozent der eidgenössischen Fabrikanten mehr oder minder stark hängen, ihre Lieferbereitschaft während der vergangenen Jahre stark eingeschränkt. (siehe auch Artikel von Rüdiger Bucher)

In der Vaucher Manufacture in Fleurier entstehen neben den Parmigiani-Werken auch Werke für Hermès, Corum oder Richard Mille

In der Vaucher Manufacture in Fleurier entstehen neben den Parmigiani-Werken auch Werke für Hermès, Corum oder Richard Mille

Exklusivere Kaliber zum Beispiel mit automatischem Aufzug liefern beispielsweise die Parmigiani-Tochter Vaucher oder die mittlerweile unters japanische Citizen-Dach geschlüpfte La Joux-Perret SA.

Die so genannten „Etablisseure” setzen Uhren aus zugekauften Teilen zusammen und bringen sie unter ihrem eigenen Namen in den Handel, was letztlich bedeutet, dass die gleichen Werke in Armbanduhren unterschiedlichster Uhrenmarken zu finden sind. Davon zu unterscheiden sind die wesentlich selteneren Manufakturen. Dieser imageträchtige Titel wird heute oftmals missbraucht. Manufaktur darf sich per Reglement eigentlich nur nennen, wer mindestens eine Uhr komplett herstellt, also auch das zugehörige Rohwerk.

Audemars Piguet Kaliber 2120

Audemars Piguet Kaliber 2120

Die Zahl der Manufakturen mit mehr oder weniger eigenen mechanischen Kalibern ist in den vergangenen Jahren – teilweise angespornt durch die Eta-Initiative, Rohwerkelieferungen an Hersteller außerhalb der Swatch Group schrittweise zurückzufahren – kontinuierlich gestiegen. Zum erlauchten Kreis zählen heute unter anderem Audemars Piguet, Breguet (ex Lémania-Rohwerkefabrik), Breitling, Cartier, Chopard, Corum, Eterna, Frédérique Constant, Girard Perregaux, Hublot, IWC, Jaeger LeCoultre, Maurice Lacroix, Montblanc, Omega, Panerai, Parmigiani, Patek Philippe, Piaget, Roger Dubuis, Rolex, TAG Heuer, Ulysse Nardin, Vacheron Constantin und Zenith.

Cartier Handaufzugskaliber 9402 MC

Cartier Handaufzugskaliber 9402 MC

Chopard L.U.C 1.96QP, Automatik

Chopard L.U.C 1.96QP, Automatik

Frédérique Constant 935, Automatik

Frédérique Constant 935, Automatik

Breitling Kaliber 01, Automatik

Breitling Kaliber 01, Automatik

Montblanc MB LL 100, Automatik

Montblanc MB LL 100, Automatik

Maurice Lacroix ML 190, Automatik

Maurice Lacroix ML 190, Automatik

Omega 9301, Automatik

Omega 9301, Automatik

Jaeger-LeCoultre 382, Handaufzug

Jaeger-LeCoultre 382, Handaufzug

Vacheron Constantin 2260, Handaufzug

Vacheron Constantin 2260, Handaufzug

Ulysse Nardin UN-118, Automatik

Ulysse Nardin UN-118, Automatik

Panerai P.9001, Automatik

Panerai P.9001, Automatik

Rolex 9001, Automatik

Rolex 9001, Automatik

Piaget 1200S ultra-thin, Automatik

Piaget 1200S ultra-thin, Automatik

Roger Dubuis RD620, Automatik

Roger Dubuis RD620, Automatik

IWC 89360, Automatik

IWC 89360, Automatik

Exklusive, das heißt fremd hergestellte aber nur unter eigener Signatur verkaufte, Werke bieten zum Beispiel Chronoswiss, Hermès, Richard Mille oder Harry Winston. In Deutschland agieren A. Lange & Söhne, Glashütte Original und Nomos Glashütte als echte Manufakturen.

A. Lange & Söhne L095.1, Handaufzug

A. Lange & Söhne L095.1, Handaufzug

Glashütte Original 89-01, Handaufzug

Glashütte Original 89-01, Handaufzug

Nomos Xi, Automatik

Nomos Xi, Automatik

 

Wempe wird ab Oktober 2012 mit sehr Exklusivem aufwarten. Nicht zu vergessen die japanischen Werkegiganten Citizen und Seiko.

 

Die Funktion eines ganz normalen Handaufzugswerks

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